Kipfel

Kipfel, im österreichischen Sprachgebrauch Kipferl, sind besonders beliebt zum Frühstück als auch zur Kaffeejause.
Registernummer: 174
Offenlegungsdatum
Im 13. Jahrhundert sind „Chipfen“ im babenbergischen Wien bezeugt.
Titel
Kipfel, österreichisch Kipferl
Kurzdarstellung oder Behauptung
Traditionelles halbmondförmiges beziehungsweise hörnchenförmiges Gebäck, in besonderen Formen auch Brauchtumsgebäck, hergestellt aus Germteig (Hefeteig), in verschiedensten Varianten.
Produktbezeichnung, Produktklasse
Hefeteiggebäck, Backerzeugnisse
Name der Region
Österreich
Suchgebiet
Lebensmittel und Speisen
Name des Informationsgebers
Edmund Fröhlich; überarbeitet Diplomingenieur Alfred Mar, Jänner 2025
Name des Antragstellers für den Titel
Keine Angabe
Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen
Keine Angabe
Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels
Keine Angabe
Beschreibung
Geschichte des Hefeteiges -in Österreich umgangssprachlich „Germteig“:
Das Backen mit Hefe ist vermutlich ägyptischen Ursprungs. Die Ägypter gaben einen drei Tage alten Weinmost in das Mehl und kneteten diesen „Sauerteig“ in den Brotteig ein. Vom fertigen Brotteig bewahrte man jeweils etwas Teig auf und verwendete ihn das nächste Mal als Triebmittel, das den notwendigen Gärungsprozess und die Lockerung des Teiges bewirkte. Dabei wird die Stärke von Enzymen im Mehl zu Zucker gespalten, der dann von der Hefe zu Alkohol und gasförmigen Kohlenstoffdioxid vergoren wird. Das Gas wird im Netzwerk des Weizeneiweißes („Kleber“) in kleinen Bläschen („Poren“) gehalten und bewirkt so, dass der Teig gelockert wird („aufgeht“).
Der Hefeteig spielt in der der Bäckerei eine große Rolle, auch in der böhmisch beeinflussten Altwiener Mehlspeisenküche.
Geschichte der Kipfel:
Vermutlich handelt es sich um ein traditionelles Klostergebäck, das wahrscheinlich zu Ostern gebacken wurde. Es ahmt Ziegenhörner nach, daher auch der Name „Hörnchen“. Nachweislich wurde ein derart geformtes Gebäck ab 1000 nach Christus gebacken.
Bereits 1227 überreichten Wiener Bäcker dem Babenberger Herzog Leopold dem Glorreichen bei seinem Einzug in Wien zu Weihnachten eine „Tracht Chipfen“: „Do brachten im die pecken chipfen und weiße flecken weißer dann ein hermelein“, steht im Fürstenbuch des Wiener Dichters und Chronisten Jans Enikel (Johann Ennenkel).
Weiters wurden „kipfen“ 1630 in Akten der Wiener Medizinischen Fakultät, 1652 in Schutzpatenten und 1670 in einem kaiserlichen Privileg erwähnt, das dem Wiener Bäcker Adam Spiel „ayren khüpfelgebächt“ feilzubieten erlaubte.
Der wortgewaltige Wiener Predigermönch Abraham a Sancta Clara (eigentlich Johann Ulrich Megerle, 1644-1709), der in Wien zur Zeit der zweiten Türkenbelagerung 1683 als volkstümlicher Kanzelredner auftrat, verwendete etwa zu dieser Zeit in seinen bekannten Schriften „Kipfel“ schon als Schimpfwort: „Vil lange, kurze, krumpe und gerade kipfel“ ortete er nicht nur unter den Wiener Backwaren, sondern auch unter der Wiener Bevölkerung.
Es wird auch vermutet, dass das Kipfel Pate stand für das französische Croissant, das jedoch aus einem anderen Teig hergestellt wird, und zwar aus Plunderteig, einem Hefeteig, in den schichtweise Butter oder Pflanzenfett „eintouriert“ wird. Angeblich machte die Tochter der österreichischen Erzherzogin Maria Theresia, Marie Antoinette, nach ihrer Heirat mit Ludwig XVI. von Frankreich, das Kipfel als „Croissant“ - nach der Sichelform des zunehmenden Mondes (croissant de lune) benannt- in ihrer neuen Heimat populär.
Auf der Pariser Weltausstellung von 1867 war die Wiener Bäckerei ein großer Erfolg.
Im 19. Jahrhundert waren süße Kipfe(l) das klassische Gebäck im Wiener Kaffeehaus.
Kipfel - Legenden:
Zwischen 1519 und 1686 - genau in der Zeit der Türkenkriege - war die Spitze des Stephansdoms von einem, aus einem liegenden Halbmond und einer sechsstrahligen Sonne bestehenden Zeichen gekrönt, das die Vereinigung von weltlicher und geistlicher Macht (Kaiser und Papst) symbolisieren sollte. Als 1529 die erste Türkenbelagerung überstanden war, bildete sich die Legende, dass Sultan Soliman nur unter der Bedingung abgezogen sei, dass der Halbmond auf die Turmspitze gesetzt würde. Den 1530 geäußerten Bitten der Wiener Bürger, das „heidnische" Zeichen zu entfernen, wurde aber zunächst nicht entsprochen. Es sollte eineinhalb Jahrhunderte bis 1686 dauern, bis das geändert wurde. Kaiser Leopold I. (1640-1705) gelobte, das Christenkreuz auf die Spitze des Turmes setzen zu lassen, wenn durch Gottes Beistand die Stadt gegen die Türken bei deren zweiten Belagerung 1683 siegen würde.
Der Legende nach hätte der Bäcker Peter Wendler 1683 erstmals ein sichelförmiges Gebäck kreiert, um den türkischen Halbmond zu verspotten, der von den Türken im etwas voreiligen Siegestaumel bereits auf dem Stephansdom aufgepflanzt worden war.
Dieser Legende widerspricht jedoch, dass Peter Wendler bereits am 6. Dezember 1680 verstorben ist. Außerdem wurden Kipfel – wie weiter oben beschrieben – bereits in früheren Quelltexten erwähnt.
Eine weitere Geschichte im Zusammenhang mit der Türkenbelagerung, erzählt folgendes: Die Wiener Bäcker waren schon wach, als bei der Wiener Türkenbelagerung diese einen Tunnel unter die Stadtmauer graben wollten. Die Bäcker schlugen Alarm, und so konnte das vereitelt werden. Zur Siegesfeier erfanden sie ein Gebäck in Form eines Halbmondes.
Eine ähnliche Geschichte gibt es für die Stadt Budapest anlässlich der Belagerung durch die Türken. Weiters wird einem badischen Bäckermeister der Ruhm dieser Erfindung zugeschrieben.
Wortursprung:
Im Althochdeutschen bedeutet das Wort „kipfa“ (lat. Cippus = Pfahl; mittelhochdeutsch „kipfe“) „Wagenrunge“. Es nimmt Bezug auf „Kipfe“, den vier Stangen, also „Hörnern“ oder „Rungen“ des Leiterwagens, an denen die Seitenwände befestigt wurden.
Das Wort „Kipf“ bezeichnet eine süddeutsche Brotform (seit dem 13. Jahrhundert) heidnischen Ursprungs.
Zum Begriff „Croissant“ finden sich die deutschen Übersetzungen „zunehmender Mond, Halbmond, Mondsichel“ und „Hörnchen, Kipferl“. Das Wort wird vom französischen Verb „croitre = zunehmen“, (latein: crescere), abgeleitet und deutet auf die meist halbmondartige Form des Gebäcks hin.
Brauchtum und Symbolismus:
Mond- bzw. sichelförmiges Gebäck gilt als eine der ältesten Gebäckformen, die sich bis heute erhalten haben.
Das gebogene Gebäck symbolisierte schon in der Antike den Halbmond und soll der griechischen Mondgöttin Selene als Opfergabe gedient haben.
Von manchen Brauchtumsforschern werden Kipfel als Symbol des doppelt gehörnten Gottes Dionysos gedeutet. Es wird auch von einem abergläubischen alten Brauch der Donauschiffer berichtet, die vor dem Eintritt in gefährliche Stromschnellen Kipfel in die Fluten warfen, um damit das Wasser zu besänftigen.
Unter den sogenannten Gebildbroten findet man auch gebogene Varianten. Gebildbrote sind kunstvoll geformte Festtagsgebäcke, die zu religiösen oder traditionellen Anlässen in verschiedenen Formen hergestellt, als Opfergaben verwendet oder auch verzehrt wurden.
Große Brauchtumsgebäcke mit verwandtem Namen, zum Beispiel das Osterkipferl ist ein häufig händisch geflochtener Briochestriezel, der gebogen wird. Es gilt es als typisches Brauchtumsgebäck zu Hochzeiten oder Zehrungen (im Mostviertel auch mit Zuckerguss) und als Patengeschenk, häufig mit eingebackenem oder hineingestecktem Geldstück. In einigen Teilen Österreichs, insbesondere in Oberösterreich, tragen noch heute Kinder das „Godenkipferl“ vom Patenbesuch - meist in beachtlicher Größe - heim.
Gebiet/Region:
Österreich
Produzenten:
Bäckereien, Konditoreien und private Haushalte in ganz Österreich.
Methode der Herstellung:
Kipfel werden aus Germteig (Hefeteig) hergestellt, beidseitig spitz zulaufend zu einem Strang geformt und heute durchwegs halbmondförmig gebogen.
Ein Kipferl kann heute aus unterschiedlichen Hefeteigvarianten, gebacken werden.
Gemäß Codexkapitel B 18 Backerzeugnisse des Österreichischen Lebensmittelbuches zählt das Kipferl zum Weißgebäck:
Weißgebäck: wie Semmeln (Kaisersemmeln, Langsemmeln, Kärntner Semmeln et cetera, Laibchen (Laberl), Weckerl, Stangerl, Kipferl oder andere Ausformungen mit bestimmter ortsüblicher Bezeichnung, wird aus Weizenauszugsmehl oder Weizenkoch- und -backmehl hergestellt, dem bis zu 10 Prozent des Gesamtgewichtes der Mahl- und Schälprodukte Roggenvorschussmehl zugefügt werden kann.
mürbes Kleingebäck: weist aufgrund des Gehaltes an Speisefetten, Zucker, Zuckerarten, Ei oder Eiprodukten und Milch oder Milchprodukten seine charakteristische Beschaffenheit auf.
Anmerkung: Mürbes Kleingebäck, wie mürbe Kipferl, weisen einen geringeren Anteil an Zutaten gegenüber den Feinen Backwaren auf. Sie dürfen keinesfalls mit Gebäcken aus Mürbteig verwechselt werden!
Mürbes Kipferl
Mürbe Kipferl werden aus Hefeteig hergestellt, dem Milch, Zucker und Margarine zugegeben werden. Der Anteil an Zucker und Fett beträgt weniger als 10 Prozent der Mahlprodukte. Das mürbe Kipferl wird klassisch in allen traditionellen Wiener Kaffeehäusern angeboten.
Rezept nach A. MAR für 30 Stück Mürbe Kipferl:
1000 Gramm Weizenmehl Type 700
270 Gramm Wasser
300 Gramm Vollmilch
40 Gramm Hefe
20 Gramm Backmittel (zum Beispiel Backmalz)
80 Gramm Fett (zum Beispiel Butter oder Backmargarine)
20 Gramm Zucker
20 Gramm Salz
1750 Gramm Rezeptgewicht
Aus den Zutaten einen Teig bereiten. Nach dem Aufgehen (circa 30 Minuten) daraus 30 gleichgroße Stücke formen, zu Kugeln rundwirken („schleifen“). Nach einer weiteren Ruhezeit von circa 10 Minuten zu Stangerl langwirken und danach zu Kipferl formen. Auf ein gefettetes Backblech legen und circa 40 Minuten aufgehen lassen und circa 15 Minuten backen. Unmittelbar nach dem Backen mit Wasser besprühen oder abstreichen.
Kipfel-Variationen:
Butterkipferl, auch Pariserkipferl oder Croissant (aus Plunderteig):
Plundergebäck stellt laut österreichischem Lebensmittelbuch Kapitel B 18 Backerzeugnisse, eine besondere Art feiner Hefeteigbackwaren dar.
Feine Hefeteigbackwaren werden grundsätzlich aus zutatenreicheren Hefeteigen hergestellt. Nach den Grundregeln der Bäcker-Fachkunde beträgt der Anteil an Fett und Zucker mehr als 10 Prozent berechnet auf die Mahlprodukte.
Das Butterkipferl (Pariserkipferl oder Croissant) wird aus feinem Hefeteig (Grundteig) hergestellt, in den durch Tourieren mindestens 25 Dekagramm Butter oder Speisefett pro Kilogramm Grundteig schichtenweise eingezogen werden. In das Fett eingewirktes Mehl ist dem Grundteig zuzurechnen. Der zulässige Wassergehalt von Butter oder Margarine ist im vorgeschriebenen Mindestfettgewicht eingeschlossen. Butterkipferl (Buttercroissants) enthalten ausschließlich Butter als Fettzutat.
Briochekipferl (aus Briocheteig):
Brioches sind im österreichischen Lebensmittelbuch Kapitel B 18 Backerzeugnisse den Feinen Hefeteigbackwaren zugeordnet. Teige für Brioche enthalten mindestens 4 Eidotter (64 Gramm) bezogen je Kilogramm Mahlprodukte.
Charakteristisch beim Briochekipfel ist die Bestreuung mit Hagelzucker.
Rezept: (aus: MAIER-BRUCK F. Klassische österreichische Küche.)
Zubereitung für 25 Stück:
500 Gramm Mehl
150 Gramm Butter
30 Gramm Zucker
4 ganze Eier
30 Gramm Germ
1/8 Liter Milch
Salz, geriebene Zitronenschale, Hagelzucker zum Bestreuen
Aus den Zutaten einen Teig bereiten. Nach dem Aufgehen (circa 30 Minuten) daraus 25 gleichgroße Stücke formen, zu Kugeln rundwirken („schleifen“). Nach einer weiteren Ruhezeit von circa 10 Minuten zu Stangerl langwirken und danach zu Kipferl formen. Auf ein gefettetes Backblech legen und zu etwa doppelter Größe aufgehen lassen, gut mit Ei bestreichen, mit Hagelzucker bestreuen und kurz (circa 12 Minuten) backen, damit das Gebäck saftig bleibt.
Verfügbarkeit:
ganzjährig verfügbar.
Verwertung:
Als traditionelle Spezialitäten gelten das „Kipfelkoch“ und der „Kipfelschmarren“ hergestellt aus übrig gebliebenen Kipferl. Während Aufläufe auch in der internationalen Küche bekannt sind, sind die Koche seit eh und je eine charakteristische Angelegenheit der Wiener warmen Mehlspeisenküche.
Schutz:
Keine Angabe
Schlüsselworte
Lebensmittel und Speisen, Traditionelles Wissen, Österreich, Kipfel, Kipferl
Bibliographie/Referenzen
- BURGSTALLER E. Brauchtumsgebäck und Weihnachtsspeisen. Ein volkskundlicher Beitrag zur Österreichischen Kulturgeographie. Zentralstelle für den Volkskundeatlas in Österreich, Linz, 1957. S. 59.
- BURGSTALLER E. Österreichisches Festtagsgebäck. Rudolf Trauner Verlag, Linz, 1983. S. 189.
- LENOTRE G.: Das große Buch der Patisserie; deutschsprachige Lizenzausgabe für M. Pawlak Verlag, Herrsching (1978), Seiten 67 - 68
- MAIER-BRUCK F. Das große Sacher-Kochbuch. Die österreichische Küche, Herrsching 1975, S. 515f.
- MAIER-BRUCK F. Vom Essen auf dem Lande. Kremayr&Scheriau, Wien, 2003. S. 612.
- MAIER-BRUCK F. Klassische österreichische Küche. Seehamer Verlag, Wayarn, 2008. S. 524-527, 530.
- MAR, A. et al.: Bäckerei in Theorie und Praxis. Trauner Verlag, Linz, 2. Aufl. (2021), Seiten 298 bis 299, 403 und 408 bis 412
- MAR, A. et al. Lehrbuch der Bäckerei, Trauner Verlag, Linz, 1. Aufl. 2007, Seiten 261, 337 bis 339 und 344 bis 346
- POHL H. D. Von Apfelstrudel bis Zwetschkenröster. Verlag Carl Überreuter, Wien, 2008. S. 62
- TILL Rudolf Woher und wie die Kipfel nach Wien kamen. In: Wiener Geschichtsblätter. Verein für Geschichte der Stadt Wien, 1970 Die Wiener Stadtbibliothek 1690-1780 S. 66 ff.
- WAGNER C. Prato-Die gute alte Küche. Pichler Verlag, Wien, 2006. S. 460.
- ZIEHR W. et al.: Die Welt des Brotes; deutschsprachige Ausgabe im Atlantis Verlag, Herrsching und Luzern (1984), Seite 101
- Croissant
- Das Croissant - echter Franzose oder EU-Bürger?
- Das Kipferl ist eine europäische Angelegenheit
- Der Mond
- Food Design: Von der Funktion zum Genuss
- Gebildbrot
- Gebildbrot Wikipedia
- Geschichte(n) von Speisen
- Kipfel
- Österreichisches Lebensmittelbuch IV. Auflage Codexkapitel B 18 Backerzeugnisse
- Vielseitigkeit, Selbst- und Fremdversorgung
Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 06.02.2025.
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Deutsch
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Autoren
Edmund Fröhlich, Magistra Eva Sommer; überarbeitet Diplomingenieur Alfred Mar, Jänner 2025