Kaisersemmel
Die Kaisersemmel ist ein krustenreiches, „rösches“ (resches), sternförmig eingeschnittenes Weizenkleingebäck für den Frischverzehr.
Registernummer: 164
Offenlegungsdatum
Erzählungen zufolge erfand ein Wiener Bäcker namens Kayser die Kaysersemmel um 1750.
Titel
Kaisersemmel
Kurzdarstellung oder Behauptung
Die Kaisersemmel ist ein krustenreiches, „rösches“ (resches), sternförmig eingeschnittenes Weizenkleingebäck für den Frischverzehr.
Die Wiener Kaisersemmel ein ausschließlich handgewirktes Weißgebäck mit 5-teiligem Stern, das sich durch eine lange Teigführung auszeichnet, die zumindest 2 Stunden betragen muss. Das Ausbackgewicht einer Kaisersemmel muss mindestens 46 g aufweisen.
Produktbezeichnung, Produktklasse
Kaisersemmel, Semmel, Weizengebäck, Weißbäckerei
Name der Region
Österreich, insbesondere Wien
Suchgebiet
Lebensmittel und Speisen
Name des Informationsgebers
Edmund Fröhlich
Name des Antragstellers für den Titel
Keine Angabe
Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen
Bäckereien
Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels
Keine Angabe
Beschreibung
Geschichte:
Semmel allgemein:
Der Name der Semmel kommt vom lateinischen „simila“, dem Weizenmehl (ursprünglich aus dem Assyrischen; samidu = weißes Mehl). Man übertrug den Namen vom Mehl auf das Gebäck (Semmeln = „weißes Brot“).
Das älteste „Brötchen“ (gebräuchige Bezeichnung für Semmel im deutschen Sprachraum außerhalb Österreichs) Europas ist fast 3.000 Jahre alt. Es wurde vom Schweizer Brotforscher Dr. Max Währen identifiziert, nachdem es bereits 42 Jahre unbeachtet im Magazin eines Museums gelegen hatte. Der nur 3,5 cm lange verkohlte Gegenstand stammte aus der Zeit um 900 v. Chr. (vor Christus) und war offenbar den Göttern als Opfer dargeboten worden.
Schon im 13. Jahrhundert unterschied man Brot-(Schwarz-), Semmel- (Weiß-) und Luxus-Gebäck.
Seit dem 15. Jahrhundert gehörten die reinen Brot- und Semmelbäcker zum organisierten Gewerbe.
1772 wurde allen bürgerlichen Bäckern erlaubt, „Mundgebäck“ (Semmeln) herzustellen. Allein bei den Semmeln gab es nach Form und Qualität viele „Varietäten“ wie z.B. die feine Rundsemmel, die glatte, nicht gewirkte Doppelsemmel (zwei kleine zusammengefügte Brötchen, meist mit einem Längsschnitt), die große und kleine Mundsemmel (Semmel, die aus feinstem Weizenmehl gebacken wurde) u.v.m.
Noch im frühen 20. Jahrhundert galt die Semmel als „Festtagsschmaus“ und wurde nur zu bestimmten Anlässen bzw. am Wochenende verzehrt oder wurde als Belohnung gegeben. Jemanden eine Semmel zu schenken wurde zu dieser Zeit als noble Geste angesehen.
Aus Oberösterreich sind sogenannte „Tafel-“, „Mahl-“ oder „Hochzeitssemmeln“ bekannt, die am Tag vor der Hochzeit vom Wirt, bei dem die Hochzeittafel stattfand, bestellt wurden. Das Gebäck wurde entweder in der Alltagsform der Semmel gebacken, nur größer, oder bestand aus zwei zusammengewirkten gleichartigen Gebäcken, die zu einem Paar zusammengebacken wurden (Paarsemmeln). Die Semmel wurde mit Gewürzen wie Anis, Kümmel oder Fenchel bestreut.
In Laakirchen, im Bezirk Gmunden, erhielten nur die männlichen Hochzeitsgäste Semmeln, während für die Frauen Kipfel bestimmt waren.
Große Semmeln kennt man auch im Hochzeitsbrauchtum von Salzburg und Tirol.
Kaisersemmel:
Wer der Erfinder der Kaisersemmel ist, lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen.
Eine Erzählung besagt, dass ein Wiener Bäcker namens Kayser um 1750 die Kaysersemmel erfunden hat. Er soll erkannt haben, dass der Geschmack vorwiegend aus der Kruste kommt und die Einkerbungen in der Semmel den Krustenanteil erhöhen.
Im 18. Jahrhundert wurden der Preis und das Gewicht der Semmel in einer Satzung geregelt. Einer Erzählung zufolge beschloss die Bäckerinnung im Jahr 1789 eine Deputation zu Kaiser Joseph II (1741 - 1790) zu entsenden, um dieser Satzung entgegenzuwirken.
Damals waren Preis und Gewicht der Semmel gesetzlich geregelt. Die Preise für die Rohstoffe, wie Mehl, waren aber in Relation zum Fixpreis der Semmel teuer, wodurch die Bäcker kaum Gewinne erzielen konnten. Daher wollten die Bäcker den Preis selbst bestimmen.
Der Kaiser war von der Handwerkskunst der Bäcker so angetan, dass er die Streichung der Semmel von der Satzung bewilligte.
Anderen Erzählungen zufolge galt jedoch seit der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph I. (1830 - 1916) von 1848 bis 1916 die Bezeichnung „Kaiser“ in Verbindung mit Speisen und Getränken bald als höchste Steigerung, womit man das Beste seiner Art bedachte. So entstand womöglich auch die Bezeichnung „Kaisersemmel“.
Vermutlich nimmt der Name aber nicht Bezug auf den Kaiser, sondern leitet sich vom Italienischen „a la casa“ („nach Art des Hauses“) ab.
Wegen der aufwendigen Herstellungsart galt die Kaisersemmel bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts als Luxusartikel.
Die heute noch händisch hergestellte Kaisersemmel trägt den Namen Handkaisersemmel.
Gebiet/Region:
Österreich, insbesondere Wien
Kaisersemmel:
Methode der Herstellung:
Die Wiener Kaisersemmel ist als „Weißgebäck“ im Österreichischen Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 18 „Backerzeugnisse“, Unterkapitel „Gebäck (Kleingebäck)“, definiert.
Demnach versteht man unter der Wiener Kaisersemmel ein ausschließlich handgewirktes Weißgebäck mit 5-teiligem Stern, das sich durch eine lange Teigführung auszeichnet, die zumindest 2 Stunden betragen muss. Außer Lecithin und L-Ascorbinsäure werden keine Zusatzstoffe zugesetzt.
Die Kaisersemmel ist ein krustenreiches und „rösches“ (resches) Weizenkleingebäck für den Frischverzehr.
Die fünffachen, sternförmigen Einschnitte bewirken einen höheren Krustenanteil und sind für das „Krachen“ beim Auseinanderbrechen oder Hineinbeißen der Kaisersemmel verantwortlich.
Durch die lange Teigführung während des Gärprozesses können sich viele Aromastoffe bilden. Weiters wird beim Handwirken Mehl in die Semmel eingewirkt, das während des Backens karamellisiert und ein wichtiger Geschmacksträger ist.
Die Kaisersemmel gilt als wesentlicher Bestandteil des „Wiener Frühstücks“.
Herstellungsverfahren:
Rezept:
Der Semmelteig kann direkt (einstufige Teigherstellung) oder indirekt (stufenweise Teigherstellung) geführt werden.
Bei der direkten Teigführung werden alle Rohstoffe und Zutaten in einem Arbeitsvorgang zu einem Teig verarbeitet. Bei der indirekten Teigführung (Vorteigführung) erfolgt eine stufenweise Teigherstellung.
Vor der Bereitung des Hauptteiges wird ein Vorteig (Ansatz aus Mehl, Wasser und Hefe) bereitet. Dieser Vorteig wird dann mit Mehl und sonstigen Zutaten zum Hauptteig vermengt.
Beispiel eines direkt geführten Semmelteiges für ca. 10 Stück Semmeln:
340 g Weizenmehl Type 480/700
70 g Milch
130 g Wasser
8 g Hefe
8 g Backmittel
4 g Fett
6 g Salz
Teigtemperatur: 25 °C
Teigausbeute: 160 Teile (100 Teile Mehl, 60 Teile Wasser)
Mischausbeute: 170,4 Teile
Die Mischausbeute ist das Teiggewicht, nachdem der Teig gemischt wurde.
Zubereitung:
Hefe, Salz, Backmittel und evtl. andere Zutaten, wie z.B. Butter oder Margarine werden beim Mischen des Teiges fein aufgerieben und gleichmäßig verteilt. Auf diese Weise können sie ihre backtechnischen Funktionen ausüben und geben später der Kaisersemmel ihre spezielle Note.
Die Handkaisersemmel wird traditionellerweise mit der Hand langsam geknetet, bis der Teig eine glatte Oberfläche aufweist (= lange Teigführung).
Seit der Erfindung der Mischmaschine um etwa 1900 wird kaum mehr mit der Hand gemischt.
Bei der maschinellen Erzeugung werden die Zutaten 3 Minuten lang vermischt (ca. 80 Umdrehungen) und der Teig anschließend in einer Knetmaschine intensiv 4 Minuten geknetet (= kurze Teigführung).
Die Teigruhe beträgt insgesamt etwa 2 Stunden, um den Teig zu lockern. Dazwischen wird der Teig in Zeitabständen zusammengestoßen:
das erste Mal nach 45 Minuten
das zweite Mal nach 40 Minuten
das dritte Mal nach 35 Minuten und
das vierte Mal nach 15 Minuten
Anschließend wird der Teig sofort ausgewogen und geschliffen. (= Formen des Teiges zu Teiglingen bis glatte Oberfläche entsteht).
Das Teiggewicht einer Semmel beträgt rund 56 g.
Die geschliffenen Stücke werden mit Mehl überstaubt, mit beiden Händen gut hin- und hergerollt und dann zusammengezogen. Sie werden zugedeckt und bekommen eine kurze Ruhezeit, die sich nach Raumtemperatur richtet und zwischen 15 und 20 Minuten dauert.
Zum Handwirken (Formen) ist es vorteilhaft helles Roggenmehl zu nehmen: Die Laugen (5 Teile der Semmel) reißen besser und der Stern der Semmel wird beim Backen schöner.
Nach der Ruhezeit wird das Teigstück mit der Hand zu einem runden Fleck geklopft und anschließend die Laugen händisch angeschlagen.
Bei der traditionellen Handarbeit werden dabei mit den 4 Fingern einer Hand immer über den Daumen derselben nacheinander übereinander gelegt. Der Teig wird damit straff verdichtet, ohne beschädigt zu werden, das ergibt das saftige, kompakte und „wattige“ Innenleben der Handsemmel.
Zum Schluss werden die erste und die letzte Lauge fest zusammengezwickt.
Nach dem Formen setzt man die Semmeln mit dem Stern nach unten auf ein Tuch. Die Semmeln werden zugedeckt und mit einem Brett etwas flach gedrückt. Bevor die Semmeln in den Ofen kommen, werden sie ganz leicht mit Wasser bestrichen. (Quelle: Österreichische Küche)
Die durchschnittliche Gärzeit beträgt 45 Minuten bei 35 °C und einer Luftfeuchtigkeit von 80 %.
Das Ausbackgewicht einer Kaisersemmel muss mindestens 46 g aufweisen. (Quelle: Lehrbuch der Bäckerei)
Produzenten:
Bäckereien
Verfügbarkeit:
Ganzjährig
Schutz:
Keine Angabe
Schlüsselworte
Lebensmittel und Speisen, Traditionelles Wissen, Österreich, Wien, Weizen, Weizenkleingebäck, Weissbäckerei, Semmel, Kaisersemmel
Bibliographie/ Referenzen
- BURGSTALLER E. Österreichisches Festtagsgebäck, Rudolf Trauner Verlag, Linz, 1983, S. 188f.
- HAVEL/STÖGER: Spezielle Fachkunde für Bäcker, Österreichischer Gewerbeverlag, Wien, 1984, S. 104, 111
- JACOB H.E. Sechstausend Jahre Brot, Rowohlt Verlag GmbH, Hamburg, 1954,S. 381
- MAR et al: Lehrbuch der Bäckerei, Trauner Verlag, Linz, 2007, S. 261-266; 276f; 282f, 893-894
- MAIER-BRUCK, FRANZ.: Die klassische Österreichische Küche, Seehammer Verlag GmbH, Weyarn, 2003, S. 533-535
- MAIER-BRUCK, FRANZ: Vom Essen auf dem Lande. Das große Buch der österreichischen Bauernküche und Hausmannskost, Verlag Kremayr & Scheriau, Wien, 2003, 2. Auflage, S. 611f
- POHL, HEINZ-DIETER: Von Apfelstrudel bis Zwetschkenröster. Kleines Handbuch der österreichischen Küchensprache, Verlag Carl Ueberreuter, Wien, 2008, S. 58
- SANDGRUBER, R. Semmel, Oberösterreichische Nachrichten, 4. November 2006, 34
- SCHÜNEMANN/TREU: Technologie der Backwarenherstellung. Fachkundliches Lehrbuch für Bäcker und Bäckerinnen, Gildefachverlag GmbH, Allfeld/Leine, 2005, 9. Auflage, S. 67, 89, 100-102
- SIEVERS, GERD WOLFGANG: Genussland Österreich. Was Küche und Keller zu bieten haben, Leopolg Stocker Verlag, Graz, 2007, S. 292
- Österr. Lebensmittelbuch, Codexkapitel B 18 „Backerzeugnisse“, Unterkapitel „Gebäck (Kleingebäck)“
- Brotwoche 2009: Als die Semmel noch eine Belohnung war
- Brötchen
- Geschichte Bäckerei
- Kaisersemmel
- Kaiserschmarren
- Überblick über die Geschichte der Wiener Bäckerinnung
- Kaisersemmel
- Überblick über die Geschichte der Wiener Bäckerinnung
- Die Hand – Kaisersemmel
Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 13.11.2009.
Sprachcode
Deutsch
Regionaler Ansprechpartner
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Autoren
Edmund Fröhlich, Daniela Trenker B.A., Mag. Doris Reintaler, Mag. Eva Sommer