Enzian
Traditionell hergestellter Brand aus den Wurzeln des Gelben Enzians (Gentiana lutea) und Punktierten Enzians (Gentiana punctata) in Tirol.
Registernummer: 33
Offenlegungsdatum
Erste Erwähnung des Enzians in "De materia medica" im 1.Jahrhundert nach Christus von Pedanios Dioskurides.
Titel
Enzian
Kurzdarstellung oder Behauptung
Traditionell hergestellter Brand aus den Wurzeln des Gelben Enzians (Gentiana lutea) und Punktierten Enzians (Gentiana punctata), Tirol.
Produktbezeichnung, Produktklasse
Spirituosen
Name der Region
Tirol, Österreich
Suchgebiet
Landwirtschaft und Spirituosen
Name des Informationsgebers
Ing. Ulrich J. Zeni / Referent für Obstverarbeitung / LK Tirol
Name des Antragstellers für den Titel
Keine Angabe
Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen
Keine Angabe
Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels
Keine Angabe
Beschreibung
Geschichte:
Enzianwurzeln haben eine lange Geschichte der Verwendung als medizinisches Bittermittel, die bis in die römische Kaiserzeit zurückgeht. Bereits im 1. Jahrhundert nach Christus erwähnte Pedanios Dioskurides in seinem Werk "De materia medica" den gelben Enzian als Heilmittel. Nach Dioskurides und Plinius dem Älteren soll der Gattungsname nach dem illyrischen König Gentis (180 bis 68 vor Christus) benannt worden sein, der sie als Mittel gegen Pest empfohlen haben soll.
Einer Mischung der Wurzel mit Pfeffer, Raute und Wein wurde eine heilsame Wirkung gegen Seitenstechen und Koliken zugeschrieben. Ausgedorrte Wurzeln wurden zu diesem Zweck zu Hause aufbewahrt und bei Bedarf geraspelt und mit heißem Wasser eingenommen.
Der große Arzt des Altertums, Galen von Pergamon (129 bis 199 nach Christus) empfahl die Wurzel gegen Gicht und bescheinigte ihre große Reinigungskraft für den Körper, die die kranken Säfte "verzehre" und die Verstopfung "öffne".
Im Mittelalter wurde die Enzianwurzel oft als Universalheilmittel in diversen Kräuterbüchern erwähnt.
Im 15. Jahrhundert wurde die Wurzel in der Medizin zur Erweiterung von Wundkanälen verwendet.
Von ca. 1650 bis 1800 erlebte das Ausgraben und Brennen von Enzianwurzeln in Tirol seine Blütezeit und stellte somit eine ernste Bedrohung für den Wurzelbestand dar.
Bereits 1694 erließ die Hofkammer ein Verbot des Brennens der Enzianwurzeln im Wipptal und Oberinntal.
1700 wurde das Enziangraben und Brennen in ganz Tirol durch ein landesfürstliches Mandat untersagt. Durch die daraus folgende Zunahme des Schwarzbrennens musste das Graben der Enzianwurzel anders geregelt werden.
In Galtür im Paznauntal wurden schon seit Menschengedenken die kostbaren Enzianwurzen gegraben. Erstmals ist das Grabrecht in einem Pachtvertrag aus dem Jahr 1705 für die Alpe Schiffanella, dem heutigen Großvermunt angeführt. Das lässt den Schluss auf eine schon viel frühere bedeutende kommerzielle Nutzung zu.
1747 wurden durch die landesfürstliche Kammer Konzessionen zum Wurzelgraben vergeben und an Abgaben gebunden.
Das Graben von Enzianwurzeln ist streng limitiert. In vielen Gebieten steht der Enzian seit den sechziger Jahren unter Naturschutz. Eine Grabgenehmigung kann von der zuständigen Behörde ausgestellt werden. Eine besondere Regelung gibt es in Galtür, wo die 13 Grabrechte jedes Jahr verlost werden.
Gebiet/Region:
Tirol. Der Gelbe und der Punktierte Enzian kommen in den Tiroler Zentral- und Südalpen vor. Das Zillertal und das Inntal bilden die geografischen Schwerpunkte des Enzianwurzelgrabens.
Enzian:
Der Enzian gehört zur Familie der Enziangewächse (Gentianaceae).
Der Gelbe Enzian (Gentiana lutea) wächst auf kalkreichen bis schwach sauren, humusreichen und tiefgründigen Böden zwischen 500 bis 2500 Meter Seehöhe. Der Punktierte Enzian (Gentiana punctata), ist kalkmeidend und wächst auf sauren, kalkarmen Böden, in Höhenlagen von 1.500 bis 3.000 m.
Acht Jahre dauert die Entwicklung des Enzians von der Samenkeimung bis zur ersten Blüte.
Die von Juni bis August blühende Staude wird bis zu 1,4 Meter groß. Die Blüten sind gelb und trichterförmig.
Enziane können bis zu 60 Jahre alt und ihre Wurzelstöcke dabei mehrere Kilo schwer werden.
Der Wurzelstamm schmeckt auf Grund zahlreicher Bitterstoffe stark bitter. Die enthaltenen Bitterstoffe haben eine ausgezeichnete appetitanregende Wirkung, stimulieren das Verdauungssystem und besitzen antimikrobielle und immunmodulierende Eigenschaften.
Verwertung:
Die Wurzeln werden sowohl frisch als auch getrocknet verwendet und zu Tee, Kräuterlikör oder Enzianbrand verarbeitet. Enzianwurzeln gelten als Wurmmittel, entzündungshemmende Mittel, Antiseptikum, Gallenproduktion förderndes Mittel, Fiebermittel, Kühlmittel, menstruationsförderndes Mittel, magenstärkendes Mittel und Stärkungsmittel.
Der Zuckergehalt der Frischware beträgt etwa 7 bis 16%. Bei Trockenware kann der Gehalt auf bis zu 30% ansteigen. Das Wesentliche sind aber die Bitterstoffe, welche dem Enzianbranntwein den charakteristischen Geschmack verleihen.
Bei der Schnapsherstellung werden die gesäuberten Wurzeln klein gehackt und in Maischefässer mit Wasser bedeckt.
60 bis 70 Wurzelstöcke sind notwendig, um einen Liter dieses speziellen Edelbrandes zu erzeugen. Landläufig wird der Brand als Enzianbrand, Enzianschnaps, Hochwurzner, Enzeler oder einfach als Enzian bezeichnet. Je nach Art der Herstellung lautet die rechtlich vorgeschriebene Bezeichnung unterschiedlich: Beim „Enzian“ (mit dem Zusatz „Spirituose“) wird reine Enzianmaische vergoren und destilliert. Das Destillat wird dann mit oder ohne Zusatz von Ethylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs in Verkehr gebracht. Der Alkoholgehalt muss mindestens 37,5% vol. betragen. Werden einer Obstmaische gehackte Enzianwurzen zugegeben und mitvergoren lautet die vorgeschriebene Bezeichnung „Obst- und Gemüsebrand“. Werden einem Obstbrand Enzianwurzen zugegeben und dann ein weiteres Mal destilliert handelt es sich nicht mehr um Enzian, sondern um eine „Spirituose“
Der Geschmack des Enzians ist einzigartig und leicht erdig.
Der extreme Geschmack und der hohe Preis sind Gründe, dass dieser Schnaps oft in verdünnter Form angeboten wird.
Empfohlen wird der Enzianbrand bei Magenschwäche, Sodbrennen, vermehrtem Salzsäuregehalt im Magensaft, Appetitlosigkeit, Blutarmut und zur Anregung der Verdauung und Gallentätigkeit.
Schutz:
Keine Angabe
Schlüsselworte
Landwirtschaft und Spirituosen, Traditionelles Wissen, Österreich, Tirol, Region, Enzian, Enzianbrand, gelber Enzian, Gentiana lutea, Punktierter Enzian, Gentiana punctata
Bibliographie/ Referenzen
- PISCHL J. Rohstoffe der Brennerei. In:Schnapsbrennen. Leopold Stocker Verlag, Graz, 1994; 23.
- MALLE B, SCHMICKL H. Kapitel 6: Angesetzte. In: Schnapsbrennen als Hobby. Verlag Die Werkstatt GmbH, Göttingen, 2003; 117.
- JUEN W, WIESER J, BÖHM T. Der Enzian. In: Das Tiroler Schnapsbuch- Edelbrände mit Tradition, Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck, 2002; 66-76.
- Beiträge zur Technologie und Geschichte der Bereitung des Enzianschnapses in Tirol
- Enzian (Schnaps)
- Gentiana lutea - Gelber Enzian
- Galtürer "Enzner"
- "Galtürer Enzner"
- Enzian graben, Schluchten fluten. Über den Umgang mit natürlichen Ressourcen in Tirol
- Gentiana punctata
- Gentiana lutea
- Tüpfel- Enzian
- Wissen um die Standorte, das Ernten und das Verarbeiten des punktierten Enzians
Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 10.01.2024.
Sprachcode
Deutsch
Regionaler Ansprechpartner
Ing. Ulrich J. Zeni / Referent für Obstverarbeitung / LK Tirol
Autoren
Mag. Eva Sommer, Ing. Ulrich Jakob Zeni LK Tirol