Bucklige Welt Apfelmost
Traditionelle Herstellung von Apfelmost in der Region Bucklige Welt in Niederösterreich.
Registernummer: 49
Offenlegungsdatum
Erste Erwähnung des Mostes in der Region Bucklige Welt erfolgte im Jahr 1557 in einem handschriftlichen Tagebuch des Erasmus v. Puchheim.
Titel
Bucklige Welt Apfelmost
Kurzdarstellung oder Behauptung
Traditionelle Herstellung von Apfelmost in der Region Bucklige Welt in Niederösterreich. Der Most erlangt seine Geschmacksfülle durch die zahlreichen verschiedenen Apfelsorten, welche unter günstigen Boden- und Klimaverhältnissen auf Streuobstwiesen gezogen werden.
Produktbezeichnung, Produktklasse
Obstwein, Apfelmost, Most
Name der Region
Bucklige Welt, Industrieviertel, Niederösterreich, Österreich
Suchgebiet
Lebensmittel und Landwirtschaft
Name des Informationsgebers
Roman Lechner
Tourismusverband Bucklige Welt
Name des Antragstellers für den Titel
Keine Angabe
Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen
Circa 30 Bauern einer Obstmostgemeinschaft
Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels
Keine Angabe
Beschreibung
Geschichte:
Apfelmost-Produktion im heutigen Österreich:
Die erste schriftliche Erwähnung von „Most“ geht auf den Minnesänger Neidhart von Reuenthal (1240) zurück.
Im 16. Jahrhundert ließ Ritter Philipp Grünthaler einen großen ‚Paumgarten’ bei Schloss Zeillern (Mostviertel, Niederösterreich) anlegen, was auf eine erste Blütezeit in Bezug auf die Mostproduktion hinweist.
Kaiserin Maria Theresia (1740 bis 1780) verordnete die Anpflanzung von Streuobstbäumen. Ihr Sohn Joseph II belohnte Landwirte mit einer silbernen Medaille, wenn sie über 100 Obstbäume setzten. Er ordnete auch an, bei jeder Hochzeit einige Obstbäume anzupflanzen.
Apfelmost-Produktion in der Region „Bucklige Welt“:
Es wird angenommen, dass seit dem frühen Mittelalter Äpfel und Birnen hauptsächlich zur Herstellung von Obstwein verwendet wurden.
Der erste eindeutige Hinweis auf Most in der Region Bucklige Welt stammt aus dem Tagebuch von Erasmus von Puchenheim, Herr auf Krumbach, aus dem Jahr 1557. Der Hinweis betrifft wiederholte Streitigkeiten mit dem dortigen Pfarrer, da dieser sich vermehrt dem Most zuwandte, anstatt eine Messe zu lesen. Weiters geht aus den Visitationsprotokollen aus der Reformationszeit wiederholt hervor, dass die Pfarrer von Krumbach den Alkohol in Form von Most im Übermaß genossen.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wird der Konsum von Most in dieser Region, damals als Waldmark bezeichnet, erstmals nicht im Zusammenhang mit Missbrauch, sondern wertfrei, beschrieben.
Durch die Anwesenheit von Erzherzog Johann in Thernberg (heute Gemeinde Scheiblingkirchen) wurden um 1828 die ersten starken Impulse für den Obstbau in der Region Bucklige Welt geliefert.
Einen enormen Aufschwung erlebte der Most weiters gegen Ende des 19. Jahrhunderts, in der Zeit der Bauernbefreiung und Industrialisierung.
Der Transport von Most in fernere Regionen wurde durch den Bau von neuen Straßen und Eisenbahnnetzen erleichtert.
In den späten 1800er Jahren zerstörte die Laus-Epidemie den Obstbau in den umliegenden Gebieten der Buckligen Welt.
Während und nach dem 1. Weltkrieg förderte ein Verband von Obstbauern in Krumbach die Obstproduktion.
Nach dem 2. Weltkrieg änderten sich jedoch die Trinkgewohnheiten in der Bevölkerung, zurückführend auf die zunehmende Mobilitätssteigerung, den gesellschaftlichen Wertwandel und auf den zunehmenden Plantagenobstbau für Tafelobst. Das Trinken von Most galt als altmodisch und wurde durch den Konsum von Bier, Wein und Limonaden ersetzt. Daraufhin nahm durch die Rodung von Obstbaumzeilen die Zahl der Streuobstbäume rapide ab.
Nur wenige Obstbauern modernisierten ihre Obstpressanlagen und versuchten mit einem Buschenschank, ein Mostwirtshaus, erfolgreich zu sein.
1984 wurde die Obstmostgemeinschaft „Obstmostgemeinschaft Bucklige Welt“ gegründet, mit dem Ziel Qualitätsstandards zu schaffen, ähnlich den bestehenden Standards für Kellertechnik im Weinbau, die traditionellen Mostschenken der Region mit immer neuen Innovationen zu erhalten und zu unterstützen und Vermarktungsmechanismen im Raum der Bezirke Wiener Neustadt- Neunkirchen zu entwickeln.
Innerhalb der letzten Jahrzehnte wurde der Anbau der traditionellen Obstsorten an die lokale Umgebung angepasst und durch Initiativen des Regionalmanagements und des Bundeslandes Niederösterreich gefördert.
Gebiet/ Region:
Die Bucklige Welt (auch als Land der 1000 Hügel bezeichnet) liegt im südöstlichen Teil Niederösterreichs. Die hügelige Landschaft ist geprägt durch große Wälder, Wiesen und Streuobstgärten.
Geografisch gesehen ist die Bucklige Welt Teil der östlichen Zentralalpen. Die Seehöhe beträgt zwischen 400 und 900 Meter.
Im Osten wird die Bucklige Welt durch das Rosaliengebirge begrenzt, im Westen durch den Semmering und im Süden durch den Wechsel. Gegen Norden fällt die Bucklige Welt zum Wiener Becken ab.
Die Region umfasst rund 585 Quadratkilometer und beinhaltet 23 Gemeinden mit rund 37.800 Einwohnern.
Klima:
Die Bucklige Welt zeigt subalpines Klima, teilweise mit kühlen Nächten.
Die durchschnittliche Sommertemperatur (18 Grad Celsius) ist mäßig, die durchschnittliche Wintertemperatur (-2 Grad Celsius) eher niedrig. Der Niederschlag wird wesentlich durch die Hauptwetterlage beeinflusst.
Meist bringt Tiefdruckwetter der Adria Regen, während Zyklone vom Westen Europas selten zu Niederschlag führen.
Der Beginn der Vegetationszeiten im Frühling ist variabel. Nachtfröste können die Fruchtbildung in den Tälern gefährden, während die Bäume am Abhang weniger davon betroffen sind.
Die Struktur der hügeligen Landschaft Bucklige Welt begünstigt unzählige kleinklimatische Nischen, die für den Anbau von bestem Obst genutzt werden können.
Der rasche Temperaturwechsel könnte für die Entwicklung vom besonders pikanten Fruchtaroma verantwortlich sein.
Bodenbeschaffenheit:
Die Böden bestehen aus Glimmerschiefer, Konglomeratschiefer, Semmeringquarzite sowie Inseln von Kalk und Dolomite (Trias). In der Beckenlage existieren teilweise mächtige Schotter-Sand-Schluff-Formationen. Lössformationen finden sich im Norden, am Steinfeldrand.
Bucklige Welt Apfelmost:
In der deutschen Umgangssprache wird „Most“ nicht nur als „Apfelmost“, sondern auch als „Apfelsaft“ bezeichnet. Laut Obstweinverordnung 2013 gilt, dass Obstwein aus Kernobst als „Obstwein“, „Obstmost“ oder „Most“ auch mit der zur Erzeugung verwendeten Obstart bezeichnet werden kann während die österreichische Fruchtsaftverordnung bestimmt, dass unvergorener und somit alkoholfreier Saft aus Äpfel oder Birnen als „Süßmost“ zu bezeichnen ist.
Apfelsorten:
Die Apfelbäume auf Streuobstwiesen in der Buckligen Welt umfassen mehr als 180 Sorten:
Die Apfelbäume in den Obstgärten der Bauern umfassen „Altsorten“ (zum Beispiel Haselapfel, Grazerapfel – eine Variante des Maschanskas, Winterlingapfel, Bohnapfel, Schafsnase) und eine Vielzahl von seinerzeit als Tafelobst bekannten Sorten (zum Beispiel Rainetten, Brünnlinge und Krummstiel) sowie aus nicht definierbarer Sorten, welche von Bauern gepflanzt wurden, ohne das Vermehrungsmaterial zu kennen.
Die Erzeuger gaben immer darauf Acht, Apfelsorten zur Vermehrung zu verwenden, welche an die natürliche Umgebung und die klimatischen Bedingungen angepasst waren.
Baumpflanzung:
Die Bauern pflanzten Obstbäume je nach Bedarf. Dies führte zu Obstgärten in der Umgebung der Höfe und zu Streuobstanlagen entlang von Feldrainen und Böschungen.
Traditionell waren Apfelbäume vorwiegend in Gärten hinter dem Haus zu finden, während Mostbirnen und Mostäpfel in Streuobstanlagen wuchsen.
Die Streuobstanlagen werden nicht bewässert, was in einigen Jahren bei ungünstigem Regenfall zu weniger Ertrag führen kann.
Ernte:
Die vollreifen Früchte, welche abfallen, bleiben für die Nachreifung einige Zeit am Boden und werden danach händisch aufgelesen. Aus arbeitsökonomischen Gründen werden die Bäume geschüttelt und die Äpfel in einem Arbeitsgang aufgeklaubt.
Lagerung:
Die Äpfel werden meist zwischen Ernte und Verarbeitung gelagert, um den hohen Säuregehalt zu reduzieren und abzurunden.
Eine spezifische Lagerzeit wurde nicht festgelegt, da diese vom Reifezustand des Obstes, der Lagerfähigkeit, der Wetterlage und der Frosteinwirkung abhängig ist.
Zerkleinerung:
Heute werden die Äpfel in modernen Schabemaschinen zerkleinert. Teilweise werden noch traditionelle Gerätschaften, wie zum Beispiel Steinwalzmühlen, verwendet.
Bei Verwendung von Steinwalzmühlen werden die Früchte oft nicht ausreichend zerkleinert und es ist unter Umständen notwendig, längere Zeit zu warten, bis die Pulpe gepresst werden kann.
Moderne Schabemaschinen verkürzen die Dauer zwischen Zerkleinern und Pressen von 4 Wochen auf einige Stunden.
Pressung:
Die Pulpe wird unmittelbar gepresst, um eine Oxidation oder einen Befall von Mikroorganismen zu verhindern und somit die Qualität des Endproduktes zu steigern.
Zahlreiche traditionelle Apfelmostpressen (Baumpresse, Spindelpresse, hydraulische Presse) mit Holzpresskorb sind noch heute bei Hauspressungen in Verwendung. Moderne gemeinschaftliche Apfelmostmühlen besitzen automatische Förderbänder, welche das Obst zur Pressung transportieren.
In früheren Zeiten war das sogenannte „Klauen“ eine traditionelle Methode zur Mengensteigerung des Apfelmostes. Das bedeutete, dass über Nacht dem Trester nach der ersten Abpressung Wasser beigemengt wurde. Am nächsten Tag wurde die Maische nochmals gepresst.
Diese Methode wurde von Bauern genutzt, die nicht genug Äpfel zur Herstellung der gewünschten Apfelmostmenge hatten oder von geizigen Bauern.
Vergärung:
Je nach Erzeuger wird die Maische in Holzfässern, Stahltanks oder Plastikfässern vergoren.
Durch Hefezusatz wird eine rasche und reintönige Gärung zu erreichen.
Die Bauern verwenden unterschiedliche Hefestämme, um besondere Geschmackseigenschaften ihres Apfelmostes hervorzuheben.
Die Gärung dauert etwa 6 bis 8 Wochen, abhängig von der Kellertemperatur. Danach wird der Most vom „Lager“ (Hefereste) abgezogen, um einen Säureabbau zu vermeiden.
Früher wurde Schwefel in leeren Holzfässern zu Schwefeldioxid verbrannt, um einen Infektionsschutz während der Vergärung zu gewährleisten. Heute wird der Most vom Lager gezogen, Sulfit hinzugegeben und anschließend wird der Most geschönt bevor er filtriert wird.
Nach der Gärung werden die Apfelmöste nicht verschnitten, da dies zur Trübung führen würde. Eine zweite Filtration wäre dann zwar notwendig, könnte sich aber negativ auf das Aroma auswirken.
Das Beimengen von Farbmitteln und anderen Fremdzusätzen ist nicht erlaubt. Der Apfelmost wird nicht pasteurisiert. Der Zusatz von Wasser ist nur für den häuslichen Gebrauch erlaubt.
Apfelmostbeschreibung:
Der Apfelmost ist nach der Filtration blassgelb bis goldgelb.
Die Farbe ist von den verwendeten Apfelsorten und deren Reifezustand abhängig.
Die Farbintensität kann durch längere Lagerzeit vor dem Pressen gesteigert werden.
Der Alkoholgehalt ist vom Reifezustand des Obstes abhängig und beträgt durchschnittlich 6 bis 7 Volumenprozent.
Der Bucklige Welt Apfelmost verfügt über eine breite Aromenpalette, einen typischen Geschmack, der von den zahlreichen unterschiedlichen, heimischen Apfelsorten abhängig ist.
Die Vielfalt der Apfelsorten ermöglicht einen Reichtum an Geschmack.
Der Apfelmost muss ausgewogen sein und einen vollen, harmonischen Geschmack aufweisen.
Vermarktung:
Direktvermarktung
Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet und Traditionellem Wissen:
- Spezielle Boden und subalpine Klimaverhältnisse im Anbaugebiet ermöglichen Obstbau in Obstgärten und Streuobstanlagen.
- Ausgeprägte Bodenständigkeit: Die Erzeuger gaben immer darauf Acht, Apfelsorten zur Vermehrung zu verwenden, welche an die natürliche Umgebung und die klimatischen Bedingungen angepasst waren.
- Bucklige Welt Apfelmost umfasst Most aus verschiedene lokalen Apfelsorten, die sich über Jahrhunderte entwickelten.
- Dank der Kulturart und besonderen geographischen Verhältnissen kann Apfelmost erzeugt werden, der hinsichtlich Geschmack Besonderes bieten.
- Der einzigartige Geschmack und das Aroma des Bucklige Welt Apfelmost stehen in direkter Beziehung zu den zahlreichen kleinklimatischen Nischen in der hügeligen Landschaft sowie dem raschen Temperaturwechsel.
- Die Erzeugung von Bucklige Welt Apfelmost ist das Ergebnis des Traditionellen Wissens, das von in diesem Bereich Beschäftigten weitergegeben wurde: Traditionelles Wissen und Erfahrung der Obstbauern (Anpassung der Erziehungsform an die Gegebenheiten der Umwelt, Auswahl von Lokalsorten, Verbesserung des Erbguts, Know-how des Ernteverfahrens), Erfahrung der Apfelmosthersteller sowie Erfahrung der Aufkäufer und Einzelverkäufer in der Vermarktung.
Verwertung:
Neben reinem Apfelsaft und Apfelmost wird auch Obstwein aus einer Mischung von regionaltypischen Äpfeln und Birnen in der Region produziert (Wasserbirne, Hirschbirne, Lederbirne, Speckbirne). Weitere Produkte sind Apfelschaumwein, Edelbrände und Obstliköre.
Schutz:
Keine Angabe
Schlüsselworte
Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Niederösterreich, Region, Industrieviertel, Bucklige Welt, Bucklige Welt Apfelmost, Apfelmost, Most, Obstwein, Fruchtsaft
Bibliographie/ Referenzen
- SCHIMETSCHEK, Bruno. Vergangene Zeiten. Geschichtliche Bilder aus der Buckligen Welt. Kirchschlag, Verein Kulturförderung, o.J. (um 1980).
- Bucklige Welt (Niederösterreich)
- Bucklige Welt Obst- Most- Gemeinschaft
- Fruchtsaftverordnung, BGBl. II Nr. 83/2004
- Land der Tausend Hügel
- Soo gut schmeckt die Bucklige Welt
- Weingesetz 2009
- Wo der „Bartl“ den Most herholt
Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 22.04.2022.
Sprachcode
Deutsch
Regionaler Ansprechpartner
Prof. Roman Lechner
Kulturverantwortlicher im Verein Bucklige Welt Regionalentwicklung und im Verein LAG Bucklige Welt Wechselland
lechnerroman@lichtenegg.at
Tel. 0664 5057721
Michael Simon
Verantwortlicher für den Bucklige Welt Apfelmost im Verein Obst-Most Gemeinschaft
Telefon: 0699 11414575
E-Mail: michael.simon@simon-genuss.at
Homepage: https://mostheurige.at/organisation/
Autoren
Mag. Eva Sommer, Dr. Erhard Höbaus