Osttiroler Kartoffel

bluehendes Kartoffelfeld
Foto: RGO/Saatbau

Seit Jahrhunderten traditioneller Anbau von Erdäpfeln in Osttirol.

Registernummer: 94

Offenlegungsdatum

Erster Nachweis des Erdäpfelanbaus in Osttirol um 1775.

Titel

Osttiroler Kartoffel

Kurzdarstellung oder Behauptung

Seit Jahrhunderten traditioneller Anbau von Erdäpfeln in Osttirol. Die besondere Bodenbeschaffenheit und die klimatischen Verhältnisse in der Region bewirken im Zusammenspiel mit der Auswahl der Sorten, den Anbauverfahren, der Reife bei der Ernte und den besonderen Lagerungsbedingungen Kartoffel mit besonderer Qualität.

Produktbezeichnung, Produktklasse

Kartoffel, Erdäpfel, Gemüse

Name der Region

Osttirol, Österreich

Suchgebiet

Lebensmittel und Landwirtschaft

Name des Informationsgebers

Bezirkslandwirtschaftskammer Lienz
Franz Klocker

Name des Antragstellers für den Titel

Keine Angabe

Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen

Rund 150 Bauern im Bezirk Lienz/Osttirol

Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels

Keine Angabe

Beschreibung

Geschichte:

Die Kartoffel entstammt dem Gebiet der Anden und wurde vermutlich vor etwa 7.000 Jahren zuerst in Peru kultiviert. 1536 brachte nach der Eroberung des Inkareiches der Eroberer Pizarro die Erdäpfel von Südamerika nach Spanien, von wo sie über ganz Europa verbreitet wurden.

Im heutigen Niederösterreich bauten Mönche des Klosters Seitenstetten (Mostviertel) Kartoffel vermutlich erstmals um 1620 in ihrem Klostergarten an.

Kaiserin Maria Theresia (1740 bis 1780) befahl den Erdäpfelanbau in der Waldviertler Ortschaft Pyrhabruck, Niederösterreich.

Die verstärkte Akzeptanz von Erdäpfeln als Nahrungsmittel zeigte sich im Zuge des bayrischen Erbfolgekrieges zwischen Preußen und Österreich (1778 bis 1779), der auch als „Kartoffelkrieg“ bekannt ist, da verfeindete Truppen sich gegenseitig der Verpflegung beraubten, indem sie die Erdäpfel der Feinde ausgruben.

Nach Osttirol gelangte die Kartoffel um das Jahr 1775, als Händler und Saisonarbeiter erste Knollen aus dem Süden mitbrachten. Bereits im Jahr 1814 findet der Kartoffelanbau in einem Schriftstück eines beamteten Schreibers Erwähnung.

In den Anfangsjahren des Anbaus wurde der größte Teil an Schweine verfüttert. Im 18. und 19. Jahrhundert setzte sich jedoch endgültig auf den Höfen in Osttirol durch. Kartoffel wurden überwiegend zur Selbstversorgung angebaut und verdrängte allmählich traditionelle Gemüsesorten wie Linsen, Erbsen und Bohnen.

Mitte des 19. Jahrhunderts zerstörte die Kraut- und Knollenfäule, verursacht durch Phytophthora infestans, einen Großteil des Erdäpfelanbaus. 1874 fraß sich der Kartoffelkäfer durch die europäischen Erdäpfelstauden. Diese zwei Katastrophen führten zur Züchtung widerstandsfähiger Sorten und zur Verbesserung von Pflegetechniken und Pflanzenschutz.

Seit den 1930er Jahren wird in Osttirol im Gebiet des Lienzer Talbodens Kartoffelanbau im größeren Umfang betrieben. In den 1960er Jahren wurde mit Saatproduktion begonnen und schließlich ein gemeinschaftliches Lager errichtet.

2008 wurde ein zentrales, vollklimatisiertes Kistenlager für alle Kartoffelproduzenten in Dölsach - das RGO (Raiffeisen Genossenschaft Osttirol) Saatbauzentrum - eröffnet.

Gebiet/ Region:

Osttirol ist eine Exklave des österreichischen Bundeslandes Tirol, das keine Grenze zu Nordtirol, dem Hauptteil des Bundeslandes aufweist. In Österreich grenzt Osttirol an Kärnten und Salzburg und an die italienischen Regionen Trentino-Südtirol und Venetien. Der einzige Bezirk Osttirols ist Lienz. Hauptstadt ist Lienz.

Osttirol hat großen Anteil an den Hohen Tauern, mit den höchsten Bergen Österreichs (241 Gipfel über 3.000 Meter Höhe liegen in Osttirol).

Rund die Hälfte Osttirols liegt über 2.000 Meter Seehöhe. Alm- und alpinen Flächen bedecken große Teile des Gebietes. Circa 9,1 Prozent werden landwirtschaftlich genutzt.

Das Hauptanbaugebiet der Kartoffeln befindet sich im Lienzer Talboden auf einer Seehöhe von 650 bis 750 Meter.

Klima und Bodenverhältnisse:

Das inneralpine Klima ist rau und trocken, die Jahresniederschlagsmenge liegt zwischen 844 und 1.144 Millimeter, wobei das Maximum im August, das Minimum im Jänner und Februar erreicht wird. Die Region ist geprägt durch viele Sonnenstunden und große Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht.

Das Jahresmittel der Temperaturen beträgt 6,9 Grad Celsius, das Monatsmittel reicht von minus 5,8 Grad Celsius im Jänner bis 18,2 Grad Celsius im Juli. Es bestehen große kleinklimatische Unterschiede zwischen dem Lienzer Talboden, den rauen Tauerntälern und dem niederschlagsreichen Gailtal.

Osttirol zeigt komplexe geologische Muster (Kalk, Urgestein, Dolomit, metamorphe Gesteine des „Tauernfenster“). Diese führen zusammen mit den unterschiedlichen Höhenlagen und klimatischen Bedingungen zu einer hohen lokalen Biodiversität von bodenständigen alpinen Pflanzen und Kräutern.

Die luftigen Böden (anlehmiger Sand bis lehmiger Sand) in der Region eignen sich optimal für den Anbau von Kartoffeln von bester Qualität.

Osttiroler Kartoffel:

Die besondere Bodenbeschaffenheit und die klimatischen Verhältnisse in der Region verhindern weitgehend die Vermehrung von Erdäpfelschädlingen und Krankheiten. Bedingt durch die rauen Nächte, verzögert sich das Wachstum der Knollen, was Erdäpfel von hoher Qualität und besonderem Geschmack ergibt.

Methode der Produktion

Pflanzgut:

Osttiroler Kartoffel sind Knollen der mehrjährigen Pflanze Solanum tuberosum L. aus der Familie der Nachtschattengewächse (Solanaceae).

Die heutigen Hauptsorten sind Ditta, Bettina, Colomba, Gala, Juwel, Belmonda.

Das verwendete Pflanzengut stammt vorwiegend aus dem Bundesland Niederösterreich.

Boden und Düngung:

Osttiroler Kartoffel werden ausschließlich auf Flächen kultiviert, die in einer Ackerschlagkartei des Landwirts verzeichnet und damit bis auf das Feld rückverfolgbar sind. Die Böden für die Erdäpfelproduktion müssen eine optimale Nährstoffversorgung aufweisen. Aus diesem Grunde sind Bodenuntersuchungen in vierjährigen Intervallen durchzuführen. Diese bieten die Grundlage für den gezielten Einsatz von Düngemitteln. Zusätzlich erfolgen regelmäßige Bodennermatodenproben.

Düngung ist nur erlaubt, wenn sie gerechtfertigt ist. Es sind die Düngevorgaben des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum  schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) einzuhalten. Die Düngegaben sind in der Ackerschlagkartei zu dokumentieren.

Die Ausbringung von Klärschlamm ist strengstens verboten.

Etwa ein Drittel aller Betriebe arbeitet nach biologischen Richtlinien.

Fruchtfolge:

Es muss eine vierjährige Fruchtfolge eingehalten werden um die Vermehrung kulturartenspezifischer Schädlinge und Krankheiten weitestgehend zu verhindern. Fruchtfolge beinhaltet Erdäpfeln, Kleegras, Getreide wie Triticale und Mais sowie Wechselwiesen.

Anbau:

Der Anbau der Osttiroler Kartoffel erfolgt im Frühjahr, hauptsächlich Ende April bis Mitte Mai. Bei der Festlegung der besten Anbauzeit wird von den Bauern besonders auf die Mondphasen und Sternzeichen Rücksicht genommen.

Die Knollen werden entsprechend konditioniert, damit sie nach dem Legen rasch aus dem Boden treiben. Weiters werden die Kartoffeln beim Legen maschinell gegen Schädlinge gebeizt. Wenn der Boden ausreichend aufgewärmt ist, erfolgt das Ziehen der Zeilen, das Ablegen der Knollen und das Zudecken mit Erde meist in einem Arbeitsgang. Der Abstand von einer Furche zur anderen beträgt etwa 75 Zentimeter. Je nach Sorte werden 40.000 Pflanzenstellen pro Hektar angelegt. Dies erbringt Erträge von 40 - 50 Tonnen pro Hektar.

Teilweise werden die Kartoffeln noch händisch angebaut. Dabei werden mit einem Pflanzenrechen mit Zinken (sogenannte „Eadepflkrotza“) Zeilen im Boden gezogen. Anschließend werden die Knollen in 10 Zentimeter tiefe Löcher gelegt, die mit einer Hacke im Abstand von 20 bis 30 Zentimeter gemacht wurden. Schritt für Schritt wird so jede einzelne Kartoffel im Abstand von circa 30 Zentimeter gepflanzt. Diese Methode wird auch als „Kartoffelstecken“ bezeichnet. Unkraut wird gejätet. Bei einer Pflanzenhöhe von etwa 20 Zentimeter werden die Kartoffeln gehäufelt.

Kartoffeln werden in Osttirol derzeit von circa 150 Bauern auf einer Fläche von 75 Hektar angebaut. Davon produzieren 30 Bauern im Rahmen der Raiffeisengenossenschaft Osttirol (RGO) Saatkartoffeln auf rund 45 Hektar.
Speisekartoffel werden überwiegend für den Ab-Hof Verkauf, Eigenbedarf und für den Handel produziert.
Jährlich wachsen in der Region Osttirol rund 1.000 Tonnen hochwertige Speiseerdäpfel heran.

Pflanzenschutzmaßnahmen:

Für Osttiroler Kartoffel sind die Vorgaben des Österreichischen Programms zur Förderung einer umweltgerechten, extensiven und den natürlichen Lebensraum schützenden Landwirtschaft (ÖPUL) einzuhalten.
Es sind nur jene Pflanzenschutzmittel zu verwenden, die nach Richtlinien des AMA Gütesiegels erlaubt sind.

Bewässerung:

Natürlicher Neiderschlag ist ausreichend. Nur ein Bauer in der Region bewässert hin und wieder künstlich.

Ernte, Sortierung und Lagerung:

Ernte, Sortierung und Lagerung von Osttiroler Kartoffel erfolgt ausschließlich innerhalb der Region Osttirol. Damit wird eine Vermischung mit Erdäpfeln anderer Regionen vermieden und die Rückverfolgbarkeit der Ware gewährleistet.

Die Ernte erfolgt händisch oder maschinell Sortenrein etwa 90 bis 100 Tage nach dem Stecken. Dies erfolgt von Mitte September bis Ende Oktober bei günstigen Witterungsbedingungen und Bodenverhältnissen. Weiters wird auf den abnehmenden Mond geachtet.

Die Kartoffeln bleiben anschließend bis zu einem halben Tag zum Nachtrocknen am Feld, wenn möglich im Schatten, liegen. Anschließende werden sie noch am selben Tag eingelagert. Die Schonung der Knolle hat absolute Priorität bei der Ernte.

Die Lagerung der Kartoffel erfolgt im eigenen Betrieb in Erdkellern oder im Gemeinschaftslager der RGO in Dölsach (circa 50 Bauern). Die computergesteuerte Lagerhalle besitzt eine Kapazität von rund 2.000 Tonnen.

Für Zwecke der Rückverfolgbarkeit werden die Kartoffel in Holzkisten gelagert, die mit dem Namen des Produzenten, Ernte-/Lieferdatum und Kartoffelsorte gekennzeichnet sind.

Lagertemperatur von 4 bis 6 Grad Celsius und grünes Licht verhindern ein Austreiben eine grüne Verfärbung der Knollen.
Zumindest 3 Wochen müssen die Kartoffeln gekühlt und belüftet werden, um keine Qualitätsverluste zu erleiden. Die Kartoffeln werden händisch nach Aussehen, Qualität und nach Größe verlesen und anschließend gebürstet um die angetrocknete Erde zu entfernen.

Die Abpackung der Kartoffel erfolgt in Verkaufseinheiten zwischen 1 Kilogramm und 50 Kilogramm.

Ursprungsnachweis

Der Ursprung der Osttiroler Kartoffeln vom Feld bis zum Einzelhandel kann eindeutig rückverfolgt werden.

Qualität:

Osttiroler Kartoffeln müssen im Lebensmitteleinzelhandel die Qualitätsklasse I gemäß der österreichischen Verordnung über Qualitätsklassen für Speisekartoffeln erfüllen.

Qualitätskontrollen:

Die Produktion von Osttiroler Kartoffeln unterliegt den Bestimmungen des ÖPUL. Speisekartoffel unterliegen den Vorgaben des AMA Gütesiegels.

AMA Gütesiegel entspricht den Kriterien von Global GAP beim Landwirt in Österreich. Zertifizierte Abpacker, Verarbeiter und Händler weisen auf den International Food Standard (IFS) hin.

Ständige Kontrollen und Bodenproben werden von den Bauern und der Landwirtschaftskammer bereits am Feld durchgeführt, um optimale Qualität zu gewähren. Weiters werden Kartoffelproben von der AGES in Linz auf Erkrankungen (Virosen) getestet.

Vermarktung:

Osttiroler Speisekartoffel werden in der Region vermarktet. Sie sind im Handel ausschließlich im Herbst bei kleinen Lebensmittelhändlern erhältlich. Weiters werden sie über die Gastronomie vermarktet.
Saatgut-Kartoffeln werden hingegen in ganz Österreich vermarktet.

Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet und Traditionellem Wissen

  • Die besonderen geologischen und klimatischen Bedingungen verhindern die Vermehrung von Erdäpfelschädlingen und - krankheiten und bewirken ein besonders langsames Heranwachsen der Erdäpfel von hoher Qualität.
  • Osttiroler Kartoffel umfassen verschiedene Sorten, die an die lokalen Gegebenheiten angepasst sind.
  • Dank der Kulturart und besonderen geographischen Verhältnisse können Erdäpfel erzeugt werden, die hinsichtlich Geschmack Besonderes bieten.
  • Die Erzeugung von Osttiroler Kartoffel ist das Ergebnis des Traditionellen Wissens, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde: Traditionelles Wissen und Erfahrung der Erdäpfelbauern (Anpassung der Erziehungsform an die Gegebenheiten der Umwelt, Verbesserung des Erbguts, Anbau- und Lagerbedingungen) und der Erfahrung der Aufkäufer und Einzelverkäufer in der Vermarktung.

Verwertung:

Als Traditionelle Österreichische Gerichte gelten die „Osttiroler Schlipfkrapfen“ (Teigtaschen gefüllt mit Kartoffelfülle), „Eabianroasn“, „Tiroler Gröstl“, „Schölfeler“ (gesottene Erdäpfel mit Butter), feines Kartoffelgratin und Kartoffelgulasch.

Schutz:

keine

Schlüsselworte

Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Tirol, Osttirol, Region, Gemüse, Erdäpfel, Kartoffel, Erdapfel, Osttiroler Kartoffel

Bibliographie/ Referenzen

Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 19. April 2023.

Sprachcode

Deutsch

Regionaler Ansprechpartner

Bezirkslandwirtschaftskammer Lienz
Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Straße 2
9900 Lienz
Telefon: +43 5 9292-2600
E-Mail: bk-lienz@lk-tirol.at

Autoren

Mag.a Eva Sommer, Dr. Erhard Höbaus überarbeitet von BGM Georg Rainer