Mühlviertler Alm Weidegans

Gänse auf der Alm
Foto: Martin Mayringer

Wiederaufnahme der jahrhundertealten Tradition der Freilandgänsehaltung auf Weiden in einer natürlichen, stressfreien und tiergerechten Art im Mühlviertel, Oberösterreich.

Registernummer: 109

Offenlegungsdatum

Im Mühlviertel hat die Gänsehaltung eine lange Tradition. Erwähnung des Verzehrs von Gänsen in Oberösterreich im 17. Jahrhundert.

Titel

Mühlviertler Alm Weidegans

Kurzdarstellung oder Behauptung

Wiederaufnahme der jahrhundertealten Tradition der Freilandgänsehaltung auf Weiden in einer natürlichen, stressfreien und tiergerechten Art im Mühlviertel, Oberösterreich. Das Weidegänsefleisch ist äußerst geschmackvoll und zeichnet sich durch einen geringen Fettgehalt, Feinfasrigkeit des Fleisches, dunkle Fleischfarbe sowie durch ein gutes Safthaltevermögen aus. Weidegänsehaltung leistet einen wesentlichen Betrag zur Erhaltung der Mühlviertler Kulturlandschaft. Wiesenflächen, die bis dato kaum bewirtschaftet wurden, werden so einer extensiven Nutzung und Pflege zugeführt.

Produktbezeichnung, Produktklasse

Gänsefleisch, Fleischprodukte

Name der Region

Mühlviertler Alm, Mühlviertel, Oberösterreich, Österreich

Suchgebiet

Lebensmittel und Landwirtschaft

Name des Informationsgebers

Verband Mühlviertler Alm

Name des Antragstellers für den Titel

Keine Angabe

Inhaber des Wissens oder zugehöriger Quellen

30 bäuerliche Betriebe im Mühlviertel

Empfänger, Inhaber, Bevollmächtigter, Eigentümer eines Titels

Keine Angabe

Beschreibung

Geschichte:

Schon Griechen, Römer und Germanen hielten Hausgänse wegen ihres Fleischs und ihrer Federn als Haustiere.

Von der Legende um den heiligen Martin bis hin zu den römischen Gänsen, die als Wachtiere dienten, ranken sich viele Geschichten rund um das Federvieh.

Bereits im Mittelalter waren die Landgänse, Nachkommen der Graugänse auf den Bauernhöfen Mitteleuropas, eine beliebte und vielerorts gehaltene Geflügelart.

Gänsehaltung im Mühlviertel:

Im Mühlviertel hat die Gänsehaltung eine lange Tradition.

Zu allen Festtagen des Kirchjahres schrieb die Speiseordnung in den Klöstern vor, wie viele Speisen aufgetragen werden sollten. Die Festessen vielen meistens üppig aus. So wurden beispielsweise 1632 im Stift Mondsee in Oberösterreich, einem Speisezettel zufolge, zum Festtag des Heiligen Martin unter anderem 129 Gänse aufgetischt.

Die Gänse wurden über Jahrhunderte hinweg auf den Höfen als „Beivieh“ zur Nutztierhaltung gehalten und hatten primär die Aufgabe Daunen für Kopfpolster und Bettdecken zu liefern. Erst viel später lernte man ihr Fleisch, als Delikatesse zu besonderen Anlässen, zu schätzen.

Bis 1914 trieben böhmische Hirten alljährlich im Herbst große Scharren von Gänsen ins Mühlviertel, um sie dort zu verkaufen. Trotz Jahrhunderte langer Tradition war die Gans seit den 1950er Jahren von den oberösterreichischen Bauernhöfen fast verschwunden. Die Betriebe spezialisierten sich auf einzelne Tierarten. Auch Gänsefedern- und Daunen wurden folglich nicht mehr am Betrieb verarbeitet, sondern fertigen Polster und Tuchent bzw. Decken zugekauft.

1992 wurde auf Initiative der Landwirtschaftskammer Oberösterreich und der Bezirksbauernkammer Freistadt das Projekt „Mühlviertler Weidegans“ gestartet. Daraus entstand die Oberösterreichische und in weiterer Folge die Österreichische Weidegans. In mittlerweile 13 Regionalverbänden (vom Bodensee über Südtirol zum Neusiedlersee) erzeugen über 270 Bauernhöfen Gänse für die Direktvermarktung. Ziel ist es in allen Regionen Österreichs frische Gänse anbieten zu können.

2006 wurde die Bezeichnung „Weidegans“ als Wortbildmarke registriert.

Im Mühlviertel gehört das Ganslessen zu Martini nach wie vor zur religiösen Tradition, die sich darüber hinaus zusätzlich als Fest der Familie, des gemeinsamen Essens etabliert.

Gebiet/Region:

Das Mühlviertel (amtlich: Mühlkreis) liegt als eines der Viertel Oberösterreichs nördlich der Donau zwischen Jochenstein und Strudengau. Es hat seinen Namen von den Flüssen Große Mühl und Kleine Mühl sowie der Steinernen Mühl. Der Haselgraben teilt das Mühlviertel in das obere (westliche) und das untere (östliche) Mühlviertel.

Das Mühlviertel umfasst heute die vier Bezirke Perg, Freistadt, Rohrbach und Urfahr-Umgebung und bedeckt mit 3.080 Quadratkilometer 25,7 Prozent der Fläche Oberösterreichs (11.980 Quadratmeter). Das Mühlviertel wird im Osten vom niederösterreichischen Waldviertel, im Süden von der Donau, im Westen von Bayern und im Norden von Böhmen begrenzt.

Die Flusstäler mit tiefen Mündungsschluchten zur Donau (Mühlsenke, Haselgraben mit dem oberen Rodltal sowie Feldaistsenke) zerteilen das Mühlviertel, dessen südliche Landschaften entlang der Donau von Westen nach Osten Passauer, Linzer und Greiner Wald heißen. In großen Stufen steigt die am Südrand zirka 500 Meter hohe, von Nebenflüssen der Donau tief zerschnittene Rumpffläche nach Norden auf 800 Meter und höher an. Der Erhebungsachse (Böhmerwald, Plöckenstein 1.379 Meter) folgen die europäische Hauptwasserscheide und die tschechische Grenze.

Geologisch betrachtet gilt das Mühlviertel als älteste Landschaft Niederösterreichs und ist Teil der Böhmischen Masse.

Klima:

Klimatisch gesehen liegt das Mühlviertel am Schnittpunkt zwischen atlantischen und kontinentalen Einflüssen (Mitteleuropäisches Übergangsklima).

Milde Sommer mit kühlen Nächten und raue Winter (Hochlandklima) sowie über das ganze Jahr verteilte Niederschläge und hohe Luftfeuchtigkeit sind charakteristisch. Die durchschnittlichen Jahresniederschlagsmengen im zentralen Mühlviertel betragen 700 bis 800 Millimeter, in den Hochlagen hingegen 1.200 Millimeter. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt bei 7 bis 8 Grad Celsius. Die durchschnittliche Lufttemperatur liegt im Jänner bei minus 2 bis minus 3 Grad Celsius und 16 bis 18 Grad Celsius im Juli.

Flora:

Die Flora im Mühlviertel ist durch die Boden- und Klimaverhältnisse bedingt und gekennzeichnet durch eine Vielfalt an Pflanzen wie Berg-Alpenglöckchen (Soldanella montana), Fingerhut (Digitalis purpurea), Wiesenklee (Trifolium pratense), Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium) und Rauer Löwenzahn (Leontodon hispidus).

Lebensraum:

Die Almen für die Haltung von Mühlviertler Alm Weidegänse liegen auf einer Seehöhe von rund 400 bis 1000 Meter.

Die Schwerpunkte für die Gänsehaltung im Mühlviertel liegen in den Gemeinden Pierbach, Königswiesen, Mönchdorf, Liebenau, Bad Zell, Sankt Leonhard, Sankt Georgen am Walde, Weitersfelden, Unterweißenbach, Kaltenberg und Schönau.

Zusätzlich zu Oberösterreich findet man Weidegänse mittlerweile in ganz Österreich und in Südtirol.

Gänse allgemein:

Gänse (Anserinae) zählen zur Familie der Entenvögel und können grob in Wild- und Hausgänse unterteilt werden.

Die Urform unserer Hausgans ist die Wildgans, auch Graugans genannt. Durch das hohe Gewicht und die verkümmerten Flügel und Federn ist das Flugvermögen bei den meisten Hausgänsen verloren gegangen.

Das Gefieder der Hausgans ist weiß. Männchen und Weibchen lassen sich anhand äußerer Merkmale nicht unterscheiden. Ungefähr im Juli beginnen sich die Gänse zu mausern: Das heißt, sie bekommen nach und nach ein neues Federkleid.

Gänse sind mit 10 bis 12 Monaten geschlechtsreif und können pro Jahr 40 bis 50 Eier legen.

Die Gans ist das einzige Geflügel, das Weidegras richtig verdauen kann. Das liegt am 2-fach höheren Magendruck der Gänse gegenüber anderen Geflügelarten. Dadurch sind Gänse für Grünlandgebiete hervorragend geeignet. Die Gänsehaltung wird nicht nur als Instrument für zusätzliches bäuerliches Einkommen, sondern auch als Instrument der Landschaftshaltung gesehen.

Mühlviertler Alm Weidegans:

Erzeugungsverfahren:

Im Mühlviertel produzieren derzeit circa 32 Betriebe jährlich etwa 4.000 Gänse. Mühlviertler Alm Weidegänse werden gemeinschaftlich von den Landwirten als Küken (im Alter von einem Tag bis max. eine Woche) ausschließlich aus einer Gänseelterntierherde im Hausruckviertel (Oberösterreich) zugekauft. Auch die einzige Gänsebrüterei ist im Hausruckviertel tätig.

Mühlviertler Alm Weidegänse werden etwa zu 70 Prozent in konventionellen Betrieben gehalten. Rund 30 Prozent wirtschaften nach biologischen Richtlinien.

Zurzeit werden in der Region Mühlviertler Alm rund 2.000 Tiere gehalten wobei die Anzahl pro Betrieb stark schwankt und zwischen bis 50 und 300 Stück liegt.

Vor allem für Betriebe mit kleineren Milchkontingenten, bestehender Direktvermarktung, Urlaub am Bauernhof und für Betriebe mit Restgrünlandflächen stellt die Gänsehaltung eine Möglichkeit zum Nebenerwerb dar.

Die Mühlviertler Alm erreicht bereits über 70 Prozent Eigenversorgung.

Haltung:

Bei der Weidegänsehaltung handelt es sich um eine artgerechte, naturnahe und extensive Haltungsform. Die Besatzdichte ist mit 80 bis 100 Gänsen pro Hektar je nach Ertragskraft des Grünlandes bzw. Niederschlagsverteilung limitiert. Viel Bewegung, gesundes Futter und schonende Mästung bewirken einen geringen Fettanteil und feinfasriges Fleisch.

Die Tiere werden im Mai eingestellt und werden nach einer behutsamen Aufzucht in einem warmen, mit Stroh eingestreuten Stall schon im Alter von 2 bis 3 Wochen auf den grünen Wiesen und Weiden gefüttert. Nach 8 Wochen sind die Tiere voll befiedert und widerstandsfähig gegen schlechtes Wetter. Sie sind nun an tagsüber auf der Weide und in der Nacht im Stall, zum Schutz vor Raubtieren.

Fütterung:

Hauptfuttermittel ist frisches Gras von den saftigen Weiden. Zusätzlich erhalten die Gänse abends zumeist noch Getreide (Hafer, Weizen, Triticale und so weiter). Es darf ausschließlich hofeigenes bzw. österreichisches Getreide zugefüttert werden.

Ausmast:

In der Endmast (etwa ab Ende September) kann die tägliche Menge an Getreide auf 20 bis 25 Deka erhöht werden (während Weidemast: 10 bis 15 Deka pro Tier). Die eingesetzte Menge hängt vom Entwicklungszustand der Tiere ab. In der Endmast darf der Anteil von Mais in der Mischung 25 Prozent nicht überschreiten. Die Endmast erfolgt auch im Freien bzw. am Abend/in der Nacht im eingestreuten Stall.

Mühlviertler Alm Weidegänse werden bis zur Schlachtung tagsüber im Freien gehalten.

Schlachtung:

Die Gänse werden in der Zeit von Ende Oktober bis Weihnachten mit einem Schlachtgewicht von circa 4,3 Kilogramm und einem Alter von rund 26 Monaten geschlachtet.

Die Schlachtung und Verarbeitung der Tiere erfolgt in gemeinschaftlich kleinbäuerlichen Anlagen in der Region oder in Anlagen direkt am Hof. Kurze Transportwege und die damit verbundene Stressminimierung gewährleisten beste Fleischqualität.

Während Gänse aus der Intensivmast in 12 Wochen tischfertig sind, müssen Weidegänse zumindest bis zu 18 bis 26 Wochen aufgezogen werden. Dies garantiert allerhöchste Qualität des Fleisches.

Die Schlachtung in regionalen Gemeinschaftsanlagen oder am eigen Betrieb erfordert eine eigene Fachausbildung, welche mit einer Teilnahmebestätigung belegt werden kann.

Fleischbeschreibung:

Fleisch der Weidegänse ist dunkel, zartfaserig, fettarm und von ausgezeichnetem Geschmack.

Die Weidehaltung mit saftigen Gräsern bedingt eine langsame Mast, was ein sehr hohes Safthaltevermögen beim Braten bewirkt. Die Tiere weisen eine sehr dünne Fettschicht auf, welche beim Braten ständig Saft und Geschmack an die Fleischfasern abgibt. Weidegänsefleisch zeichnet sich auch durch einen besonders niedrigen Bratverlust aus. Von einer 4 Kilogramm schweren Weidegans bleiben nach dem Braten etwa 3,2 Kilogramm Festtagsbraten übrig, bei einer billigen Tiefkühlmastgans jedoch nur 2,4 Kilogramm Fleisch.

Qualitätskontrolle:

Die Mindestanforderungen für die Haltung von Hausgeflügel sind im in der 1. Tierhaltungsverordnung 2004 i.d.g.F. Anlage 6 genau geregelt. Den heimischen Gänsen muss laut Bundestierschutzgesetz der Auslauf ins Freie verpflichtend gewährt werden. Eine reine Stallhaltung ist nicht erlaubt. Weiters ist eine Haltung auf Stroh im Stall erforderlich. Das Stopfen der Gänse zur Stopflebererzeugung und das Lebendrupfen ist gesetzlich verboten.

Die Gänse werden auf Basis von Produktionsrichtlinien der Organisation „Österreichische Weidegans“ gehalten.

Einmal jährlich werden die Betriebe durch einen Geflügelfachberater auf artgerechte Tierhaltung kontrolliert.

In der Gemeinschaft „Österreichische Weidegans“ ist die Untersuchung auf Salmonellen gemäß Geflügelhygieneverordnung Pflicht. Die Untersuchung wird durch die Betreuungstierärzte der Organisation „Österreichische Weidegans“ durchgeführt. Die Kontrolle der Bio-Betriebe erfolgt einmal jährlich durch zertifizierte Stellen.

Ursprungsnachweis:

Gänse werden nicht markiert, da sie nur durch den Produzenten selbst an die Endkäufer abgeben werden. Der Ursprungsnachweis ist durch den persönlicheren Kontakt zwischen Produzent und Konsument hergestellt.

Vermarktung:

Mühlviertler Alm Weidegänse haben von September bis Weihnachten Saison. Die frischen Gänse (es werden keine Tiefkühlgänse vermarktet) werden den Ganslbauern direkt Ab-Hof sowie über die regionale Gastronomie vermarktet.

Zusammenhang mit dem geographischen Gebiet und Traditionellem Wissen

  • Besondere Boden- und Klimaverhältnisse in der Region Mühlviertel bedingen eine reichhaltige lokale Flora, die eine extensive Haltung von Gänsen auf Weiden ermöglicht.
  • Typische Haltungssysteme: Extensivhaltung der Gänse auf Weiden während der Vegetationszeit.
  • Ausgeprägte Bodenständigkeit: Ernährung der Gänse durch Weidegräser und lokal gewachsenem Getreide.
  • Dank dieser Weidehaltung kann Gänsefleisch mit charakteristischer Zusammensetzung erzeugt werden.
  • Die Aufzucht der Mühlviertler Alm Weidegans ist das Ergebnis Traditionellen Wissens, das von Generation zu Generation weitergegeben wird: Traditionelles Wissen und Erfahrung der Tierhaltung (Anpassung der Haltung der Herden an die Gegebenheiten der Umwelt, Know-how der Landwirte, Art der Weidegansfleischproduktion, Kunst des natürlichen Mästens, Gänsehaltung auf Weiden), Know-how der Schlachter (Tiertransport, Erfahrung bei Schlachtung, Zerlegung, Fleischreifung) und die Erfahrung der Gemeinschaft „Österreichische Weidegans”.

Verwertung:

Mühlviertler Alm Weidegänse werden bratfertig sowie frisch im Ganzen angeboten.

Gänsefleisch wird in einer Vielzahl verschiedener traditioneller Gerichte am Tag des Heiligen Martin, den 11. November gegessen. Traditionell wird das Martinigansl mit Rotkraut und Erdäpfelknödel zubereitet. Auch das Weihnachtsgansl erfreut sich steigender Beliebtheit.

Das wertvolle Nebenprodukt Daune wird zu Bettwaren weiterverarbeitet und verkauft.

Schutz:

Wortbildmarke „Weidegans“ (Österreichisches Patentamt Register Nummer 230061, 16.2.2006). Markeninhaber ist der Landesverband landwirtschaftlicher Geflügelwirtschaft Oberösterreichs (LVG).

Schlüsselworte

Lebensmittel und Landwirtschaft, Traditionelles Wissen, Österreich, Oberösterreich, Region, Mühlviertel, Weidegans, Gans Anser anser f. domestica (L.)

Bibliographie/ Referenzen

Letzter Zugriff aller Internetreferenzen erfolgte am 20. März 2023.

Sprachcode

Deutsch

Regionaler Ansprechpartner

Verband Mühlviertler Alm
Markt 19
4273 Unterweissenbach
Telefon: +43 7956 7304-0
Telefax: +43 7956 7304-4
Homepage: www.muehlviertleralm.at

Autoren

Mag.a Doris Reinthaler, Mag.a Eva Sommer, Dr. Erhard Höbaus überarbeitet von Dipl.-Päd. Ing. GM Martin Mayringer