Wasserstand am Neusiedler See weiterhin auf saisonalem Rekordtiefstand (mit Update 15.11.2022)
Seit Monaten fallen die Niederschläge im Osten Österreichs und im Einzugsgebiet des Neusiedler Sees unterdurchschnittlich aus. Infolgedessen wurden im März neue Rekordtiefstände des Wasserstands des Neusiedler Sees erreicht, und die Situation hat sich seitdem nicht entspannt.
Wasserverfrachtung im Jänner als Vorbote eines außergewöhnlichen Jahres
Noch sind die Bilder aus der Ruster Bucht vom 30. und 31. Jänner 2022 in lebhafter Erinnerung. Ein Weststurm mit hoher Windstärke hatte das Wasser aus der Ruster Bucht in Richtung des offenen Sees verfrachtet. Über weite Bereiche der Bucht wurde der Schlammboden freigelegt und sichtbar (Titelbild).
Die Schlammoberfläche kam sowohl in den ufernahen Bereichen des Seebades Rust, als auch im nordwestlichen Bereich der Ruster Bucht zum Vorschein. Die Bilder dazu gingen durch die (sozialen) Medien und führten deutlich vor Augen, dass es um den Wasserstand nicht gut bestellt ist und die Nutzung des Sees für den Tourismus in Gefahr ist, in erster Linie aufgrund ausbleibender Niederschläge in den letzten Monaten.
Neue saisonale Rekordtiefstände des Wasserstands
Tatsächlich weist der Neusiedler See aktuell (12. April 2022) einen besorgniserregend tiefen mittleren Wasserstand von 115,23 m ü.A. auf (Abbildung 2). Seit dem 9. März 2022 unterschreitet der Wasserstand den bisher erfassten Schwankungsbereich, der seit 1965 durch Messungen erfasst wurde. Das heißt, seit dem 9. März 2022 werden Wasserstände erfasst, die saisonal betrachtet noch nie so tief waren.
Niedrige Niederschläge als Hauptursache
Der Neusiedler See wird in seiner Wasserbilanz hauptsächlich durch den Niederschlag und die Verdunstung geprägt. Daraus leitet sich auch ab, dass maximale Wasserstände im Frühjahr (Ende April) auftreten, nach erfolgtem Anstieg durch die Winterniederschläge und vor dem Einsetzen der Verdunstung. Minimale Wasserstände treten nach extremer Verdunstung im Sommer typischerweise Ende September auf, wenn die Verdunstung wieder abnimmt.
Die gegenwärtige Situation am Neusiedler See lässt sich ausgehend von schon unterdurchschnittlichen Verhältnissen zu Beginn des Jahres 2021 in erster Linie durch außergewöhnlich niedrige Niederschlagssummen in den letzten Monaten erklären (Abbildung 3). Im Jahr 2021 wurden von den im langjährigen Mittel zu erwartenden circa 600 mm Gebietsniederschlag nur circa 440 mm erreicht, besonders trocken war es dabei im Herbst letzten Jahres. Allerdings war insbesondere auch der Juni 2021, der drittwärmste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, extrem trocken, so dass hohe Verdunstung zu einem starken Abfall des Wasserstandes führte, welcher bis heute nicht durch Niederschläge kompensiert werden konnte.
Dieses Jahr wurden in den ersten drei Monaten von den im Mittel zu erwartenden circa 90 mm Gebietsniederschlag nur knapp über 30 mm erreicht. Die Gebietsniederschläge der letzten sechs Monate (Oktober 2021 bis März 2022) erreichten nicht einmal die Hälfte langjährigen Mittels.
Prognosen deuten auf die Möglichkeit weiterer Rekordminima im Verlauf des Jahres hin
Prognoseberechnungen für den Niederschlag und die Temperatur werden seitens der Direktion für Wasserwesen in Györ (Balázs Gyüre) jährlich viermal, also alle drei Monate für einen Zeitraum von jeweils fünf Monaten durchgeführt. Diese Prognosen stützen sich auf Mittelfrist- und Langzeitprognosen des Ungarischen Wetterdienstes hinsichtlich der Parameter Niederschlag und Temperatur. Ausgehend vom 1. März 2022 ergibt sich daraus für den 1. August 2022 im ungünstigen Fall ein Wasserstand von circa 115,00 m ü.A. (Abbildung 4, Prognose A). In der günstigsten Prognose können die bisherigen Minima gerade noch gehalten werden.
Die Universität für Bodenkultur BOKU (DI Gerhard Kubu) hat auf Grundlage von Niederschlagsprognosen aus dem Projekt AGROFORECAST (16 Ensembles) den Gebietsniederschlag für den Zeitraum vom 1. März 2022 über vier Monate bis zum 1. Juli 2022 berechnet. Zusammen mit Datensätzen für den Zufluss und der Verdunstung des Sees aus der jährlich ermittelten Wasserbilanz wurden Prognosen für den Wasserstand erstellt (Abbildung 4, Prognose B). Die ungünstigsten Prognosen liefern einen mit den Prognosen der Direktion für Wasserwesen in Györ vergleichbar niedrigen Wasserstand, jedoch bereits einen Monat früher. Der bisherige Verlauf des Wasserstandes seit dem 1. März 2022 entspricht in etwa einer mittleren Prognose nach den Berechnungen der BOKU beziehungsweise der ungünstigsten Prognose nach den Berechnungen der Direktion für Wasserwesen in Györ.
Der aktuelle Wasserstand (der 23 cm unter jenem des Vorjahres, 37 cm unter dem mittleren Niveau und sogar 70 cm unter dem maximalen Wasserstand im Jahr 1996 liegt) sowie die präsentierten Prognosen geben Anlass zur Sorge, dass dieses Jahr noch weitere, extremere Minima beschritten werden und eine Austrocknung des Sees wieder zu einem möglichen Szenario wird.
Update vom 24.07.2022
In den Monaten April, Mai und Juni lagen die Niederschlagssummen im Osten des Bundesgebiets und speziell im Nordburgenland weiterhin deutlich unter dem langjährigen Mittel des Vergleichszeitraums 1981-2010 (Abbildung 5). Dieses anhaltende Niederschlagsdefizit führte zu weiter absinkenden Wasserständen am Neusiedler See.
Am 17. Juli 2022 wurde der bisher tiefste mittlere Wasserstand seit Beginn der Aufzeichnungen 1965 erreicht (Abbildung 6). Mit 115,04 m ü.A. lag der Wasserstand damit einen Zentimeter unter dem bisherigen Negativrekord aus dem September 2003. Stand heute (24.07.2022) beträgt der Wasserstand 115,01 m ü.A. Damit sind die ungünstigsten Prognosen aus dem März seitens der Direktion für Wasserwesen in Györ (Balázs Gyüre) und der Universität für Bodenkultur BOKU (Abbildung 4 und Abbildung 6) auch eingetreten, wobei der Wasserstand von in etwa 115 m ü.A. in Bezug auf die Prognosen aus Györ etwas früher und in Bezug auf die Prognosen der BOKU etwas später erreicht wurde.
Update vom 15.11.2022
Langjährige Situation
Im langjährigen Mittel schwankt der Wasserstand des Neusiedlersees etwa 20 cm pro Jahr (Abbildung 7). Zum kühlen Jahresbeginn steigt der Wasserstand bis zum Maximum im April. Anschließend fällt der Wasserstand über das Sommerhalbjahr bis September, da die Verdunstung den Niederschlag in der warmen Jahreshälfte übersteigt. Nach September steigt der Wasserstand wieder.
Situation im November 2022
Heuer waren die Winterniederschläge bereits unter dem langjährigen Mittel (Abbildung 8), wodurch die Erhöhung des Wasserspiegels ab Jänner fast ausblieb und ab März das jahreszeitliche Minimum unterschritten wurde (Abbildung 7). Danach sank der Seespiegel infolge der sommerlichen Niederschlagsdefizite bis Oktober um ca. 35 cm ab. Erst im November ist der Seespiegel durch höhere Niederschläge geringfügig gestiegen.
Allein die Wasserverluste des heurigen Jahres betragen damit zum jetzigen Zeitpunkt etwa 25 cm gegenüber dem Vorjahr. Nachdem das Jahr 2022 aber bereits um 25 cm zu niedrig begonnen hat, ist der Wasserstand derzeit insgesamt rund 50 cm tiefer, als für diese Jahreszeit im langjährigen Mittel zu erwarten wäre (Abbildung 7).
Ausblick
Die weitere Entwicklung hängt jetzt ausschließlich vom Niederschlagsverlauf der nächsten Monate ab. Der Anstieg des Wasserstandes entspricht dabei in etwa der Höhe der Niederschläge. Da von Dezember bis März im langjährigen Mittel aber lediglich Niederschläge von circa 130 mm im Einzugsgebiet zu erwarten sind, wird das derzeitige Defizit im Wasserstand von 50 cm (das heißt 500 mm Niederschlag) mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Monaten nicht ausgeglichen werden können.
Kontakt:
BML, Abt. I/3 Wasserhaushalt
Email: wasserhaushalt@bml.gv.at
Hydrographischer Dienst Burgenland
DI Karl Maracek
Email: karl.maracek@bgld.gv.at
Weitere Informationen
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Wasserportal Burgenland – Neusiedler See
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