Das Hochwasserereignis im September 2024 in Österreich

Wienfluss am 15. September 2024 (Foto: J. Eybl)
Wienfluss am 15. September 2024 (Foto: J. Eybl)

Die großflächigen Hochwasserereignisse, die im August 2002 und im Juni 2013 weite Teile Österreichs und mehrere Länder in Mitteleuropa stark in Mitleidenschaft gezogen hatten, sind vielen Menschen noch gut in Erinnerung. Vom 12. bis 20. September 2024 kam es erneut in der Folge einer so genannten Vb (fünf-b)-ähnlichen Wetterlage zu einem massiven Hochwasserereignis.

In Österreich war ein Gebiet vom Salzburger Flachgau bis ins nördliche Burgenland und die Obersteiermark betroffen, in den Nachbarländern besonders Tschechien und der Süden Polens. Enorme, teilweise noch nie aufgezeichnete Regenmengen in Kombination mit Sturm und Schneefällen im Hochgebirge und regional extreme Hochwasserabflüsse waren zu bewältigen. Am schwersten betroffen waren und sind Niederösterreich und Wien.

Nachfolgend wird anhand der Daten der Hydrographie Österreich (Abteilung I/3 im BML, hydrographische Landesdienste, via donau) eine erste Einschätzung und ein erster kurzer Überblick über das Ereignis gegeben. Eine detaillierte Analyse der extremen Niederschlagsmengen und der Hochwasserabflüsse sowie ein Vergleich mit früheren Extremereignissen ist die Aufgabe in den kommenden Wochen und Monaten.

Meteorologie

Ausgehend von einem Tiefdruckkomplex über der Nordsee, mit dem polare Kaltluft bis in den Mittelmeerraum vorstieß, zog zunächst eine markante Kaltfront in der Nacht vom 11. auf 12. September über Österreich. Sie brachte erste Niederschläge und einen Temperatursturz von den bis dahin hochsommerlichen Temperaturen bis hinunter in den einstelligen Bereich. Die Schneefallgrenze sank gegen 1.500 bis 1.200 m, zum Teil auch darunter. Etwa zur gleichen Zeit bildete sich ein Tief über Oberitalien. Über dem im heurigen Jahr überdurchschnittlich warmen Mittelmeer konnte die Luft viel Feuchtigkeit aufnehmen. Das Tief verlagerte sich anschließend langsam nach Nordosten und blieb östlich von Österreich über längere Zeit stationär. Es kam laufend zu einem Nachschub feuchter Luft, sodass sich in ein und demselben Gebiet große Niederschlagsmengen abregnen konnten.

Nach einer kurzen Wetterberuhigung am Freitag, dem 13. September fielen von Samstag, dem 14. bis Sonntag, dem 15. September und nochmals in der Nacht und am Montag, dem 16. September die intensivsten Niederschläge. Über mehrere Stunden lag die Intensität über 10 mm in 1 Stunde. In den 5 Tagen vom 12. bis 16. September wurden im Norden Österreichs großflächig Niederschlagssummen von 100 mm und mehr gemessen. 200 bis 300 mm Regen fielen in weiten Gebieten von Ober- und Niederösterreich, Wien, im Nordburgenland und in der Obersteiermark. Rekordmengen von 300 bis über 400 mm in 5 Tagen wurden in einem Gebiet zwischen dem Mostviertel und dem Wienerwald aufgezeichnet (Abbildung 1). Dort ist in 5 Tagen mehr als das 5,5-fache der langjährigen mittleren Monatssumme eines Septembers gefallen (Abbildung 2). Im Hochgebirge gab es zum Teil sehr große Schneemengen.

Abbildung 1. Niederschlagssummen in Österreich zwischen dem 12.09.2024 und 16.09.2024. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.
Abbildung 1. Niederschlagssummen in Österreich zwischen dem 12.09.2024 und 16.09.2024. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.
Abbildung 2. Vergleich der Niederschlagssummen zwischen dem 12.09.2024 und dem 16.09.2024 mit der mittleren Monatssumme des Niederschlags (Periode 1991-2020) im September. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.
Abbildung 2. Vergleich der Niederschlagssummen zwischen dem 12.09.2024 und dem 16.09.2024 mit der mittleren Monatssumme des Niederschlags (Periode 1991-2020) im September. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.

Hydrologie

In den Flussgebieten unterhalb von 1.000 bis 1.200 m Seehöhe kam es infolge der intensiven und langanhaltenden Niederschläge zu einer raschen Bodensättigung, sodass sehr schnell ein Großteil der Niederschläge abflusswirksam wurde. Das führte zu markanten Anstiegen der Wasserführungen und Ausuferungen von Fließgewässern, vor allem in den Schwerpunktgebieten in Niederösterreich und Wien (Abbildung 3). Auch viele landwirtschaftlich genutzten Flächen standen unter Wasser, da in Folge der großen Regenintensitäten und der Bodensättigung das Regenwasser nicht mehr versickern konnte. In weiterer Folge haben Dammbrüche zusätzlich zu Überflutungen geführt.

In Tirol wurden nur vereinzelt Hochwassergrenzen überschritten. Im Salzburger Flachgau, an der unteren Salzach und in Oberösterreich sind die Hochwasserscheiteldurchflüsse an den meisten Flüssen als 1- bis 5-jährliche Ereignisse einzustufen. An einigen Fließgewässern, vor allem im unteren Mühlviertel, wurden aber auch 10- bis 30-jährliche Ereignisse beobachtet. Ebenso stiegen auch die See-Wasserstände und die Grundwasserstände in Salzburg und Oberösterreich deutlich an.

In Niederösterreich wurden in weiten Teilen des Bundeslandes 30- bis 100-jährliche Ereignisse beobachtet. An vielen Flüssen kam es zu extremen Hochwasserspitzen mit Eintrittswahrscheinlichkeiten von deutlich mehr als 100 Jahren, die bisher gemessenen Höchstwerte wurden überschritten. Am Pegel Zwettl-Bahnbrücke am Kamp gab es erneut ein mehr als 100-jährliches Hochwasser, die Durchflussmenge blieb jedoch unter den Höchstwerten von 2002. Die damaligen Hochwasserscheitel hatten eine Eintrittswahrscheinlichkeit von einmal in 1.000 bis 1.500 Jahren am 7. August 2002 und von 500 Jahren am 13. August 2002. Extrem und deutlich über einem 100-jährlichen Ereignis fielen die Werte auch in Wien an der Liesing und besonders am Wienfluss aus.

Der Scheitel der March blieb unter einem 30-jährlichen Hochwasser, an der Leitha wurde dieser Wert im Unterlauf leicht überschritten.

Abbildung 3. Maximale erreichte Jährlichkeiten der Hochwasserscheitel (Rohdaten!) an ausgesuchten Pegeln im Zeitraum 14.09.2024 bis 20.09.2024. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.
Abbildung 3. Maximale erreichte Jährlichkeiten der Hochwasserscheitel (Rohdaten!) an ausgesuchten Pegeln im Zeitraum 14.09.2024 bis 20.09.2024. Datengrundlage: Hydrographie Österreich.

Die Donau erreichte in Oberösterreich Maximalwerte in Achleiten und Linz zwischen einem 1- und einem 5-jährlichen Hochwasser, in Mauthausen einen circa 10-jährlichen und in Grein einen circa 5-jährlichen Scheitelwert. In Niederösterreich können an Hand der vorläufigen Daten die Wiederkehrzeiten der Durchflussmaxima der Donau am Pegel Kienstock zwischen 10 und 30 Jahren, in Korneuburg bei nahe 100 Jahren, in Wildungsmauer zwischen 30 und 100 Jahren und in Hainburg bei 30 Jahren eingeordnet werden.

Im nördlichen Burgenland stieg die Wasserführung der Wulka bis auf 5- bis 10-jährliche Durchflüsse an, sonst gab es vereinzelt Fließgewässer mit Scheiteln einer Wiederkehrszeit von 1 bis 5 Jahren. In der Steiermark waren hauptsächlich Salza und Mürz mit 30-jährlichen Hochwasserwerten betroffen, an der Mur in Graz und an einigen Mur- und Enns-Zubringern sowie in der Oststeiermark wurden Werte über einem 1-jährlichen Hochwasser beobachtet.

Die tiefliegende Schneefallgrenze hat im Hochgebirge den Niederschlag vorerst als Schnee gebunden, sodass dieser nicht sofort abflusswirksam werden konnte. Trotzdem die Schneefallgrenze ab 16. September wieder deutlich über 2000 m Seehöhe angestiegen war, blieb die einsetzende Schneeschmelze moderat, so dass das Schmelzwasser nicht mehr zu einer Verschärfung der Hochwassersituation geführt und lediglich die Rückgänge an den Pegeln verzögert hat.

Inn, Salzach, Traun und Enns und auch die bayerische Donau sind jene Flüsse, die in der Regel die höchsten Abflussbeiträge für die österreichische Donau bringen. Die Schneefälle im Hoch- und Mittelgebirge und die Tatsache, dass beim aktuellen Ereignis diese Gebiete weniger stark als bei früheren großen Ereignissen überregnet wurden, haben ein noch größeres Ausmaß des Hochwassers in Österreich verhindert.

Die Ereignis-Analyse beginnt

Ein Blick in die jüngere und weiter zurückliegende Vergangenheit zeigt klar, dass ähnliche Wetterlagen, wie jene, die zum aktuellen Hochwasser geführt hat, in Zentraleuropa immer wieder außergewöhnliche Niederschlagsmengen und Hochwasserereignisse verursacht haben. Je nachdem, wie bei diesen Vb-Wetterlagen die Zugrichtung und Ausbreitung der Niederschlagsgebiete ausfallen und wo sie eventuell länger stationär bleiben, können zum Beispiel der südliche Alpenrand oder die nördlichen Staulagen der Alpen, aber genauso die Staulagen der mitteleuropäischen Mittelgebirge in den Nachbarländern betroffen sein. Dazu gibt es bereits Studien wie WETRAX und WETRAX+, an denen Meteorologen und Hydrologen gemeinsam gearbeitet haben. So groß die Schäden und so tragisch die Auswirkungen eines solch extremen Ereignisses auch sind, so wichtig ist eine genaue Analyse des Geschehens. Sie hilft das Verständnis der Naturprozesse zu erhöhen und Schlussfolgerungen für geeignete Maßnahmen zu ziehen. In den kommenden Wochen und Monaten werden die Ursachen und der Verlauf des Hochwasserereignisses einer detaillierten Auswertung und die gemessenen Daten einer Überprüfung und Plausibilisierung unterzogen.

Weitere Fotos

Überflutung in Sieghartskirchen am 15.09.2024 (Foto: S. Winterer)
Sieghartskirchen am 15.09.2024 (Foto: S. Winterer)
Überflutung in Sieghartskirchen am 15.09.2024 (Foto: S. Winterer)
Sieghartskirchen am 15.09.2024 (Foto: S. Winterer)
Rückhaltebecken in Wien Auhof am 15.09.2024 (Foto: O. Plappart)
Rückhaltebecken in Wien Auhof am 15.09.2024 (Foto: O. Plappart)
Wienfluss oberhalb der kleinen Marxerbrücke am 15.09.2024 (Foto: O. Plappart)
Wienfluss oberhalb der kleinen Marxerbrücke am 15.09.2024 (Foto: O. Plappart)
Judenau am 22.09.2024
Judenau am 22.09.2024 (Foto: R. Heidegger)

Weiterführende Informationen

Kontakt

BML, Abteilung I/3 - Wasserhaushalt
Marxergasse 2
1030 Wien
E-Mail: wasserhaushalt@bml.gv.at