Ebbe und Flut am Neusiedler See
Das Sturmtief Petra war Anfang Februar Auslöser eines Naturereignisses am Neusiedler See. Ähnlich Gezeiten drängte anhaltender Nordwestwind enorme Wassermassen in den Süden. Es herrschte Ebbe an den Ufern im Norden des Sees.
Enorme Wasserverlagerungen im Neusiedler See.
Im Verlauf des 5. Februars 2020 reduzierte sich der Wasserspiegel im Norden des Neusiedler Sees deutlich. Badeleitern endeten im Ufergrund und Bootsliegeplätze in Neusiedl zeigten die geschotterte, trockene Sohle. Der durch das Sturmtief Petra ausgelöste stürmische und anhaltende Nordwestwind zwischen dem 3. und 5. Februar war die Ursache einer enormen Wasserverlagerung vom Norden in den ungarischen Schilfgürtel. Dabei wurden vom Wind an die 22 Millionen m³ Wasser in den Süden gedrückt. Der Wasserstand am südlichsten Pegel des Neusiedler Sees in Apetlon erreichte 115,92 m über Adria, am Pegel Neusiedl im Norden des Sees waren es am Nachmittag des 5. Februars nur 114,76 m über Adria und damit um 1,16 m weniger (Details dazu siehe Bild 1 der Bildergalerie).
Nordwest- und Südostwinde verändern den Wasserstand ständig.
Der Neusiedler See ist wie der Plattensee einer der wenigen Steppenseen in Europa und der größte von Natur aus abflusslose See in Mitteleuropa. Das Wasservolumen des Neusiedler Sees ist abhängig vom Niederschlag, von der Verdunstung und vom Zufluss der Wulka im Norden. Das Volumen des Sees beträgt bei mittlerem Wasserstand circa 320 Millionen m³ Wasser. Je nach Windstärke, Dauer und Windrichtung ist der Pegelstand unabhängig vom Volumen öfter großen Schwankungen unterworfen, die sich auch in wenigen Tagen völlig umkehren können (Bild 2).
Wasserverlagerungen gehören zur Charakteristik des Neusiedler Sees.
Die meteorologische Voraussetzung für das Wetterphänomen in der ersten Februarwoche 2020 war das Tiefdruckgebiet Petra, das sein Zentrum von West- nach Osteuropa verlagerte und für anhaltend starken Nordwestwind im burgenländischen Seewinkel sorgte. Im Februar gibt es noch keine Segelsaison, angesichts der bedrohlich wirkenden Bilder im Norden machte man sich Sorgen um den Wasserstand des Sees und seine weitere Entwicklung. Karl Maracek, der Leiter der Hydrographie in Burgenland relativiert die Situation und klärt auf: „Die Wasserspiegelschwankungen gehören zum seichten Steppensee mit seiner durchschnittlichen Tiefe von nur einem Meter. Differenzen wie Anfang Februar 2020 kommen alle 2 bis 3 Jahre einmal vor“.
Das Wasservolumen schwankt in beide Richtungen.
Nicht immer wird Wasser vom Norden in den Süden gedrückt. Sechzig Prozent der maximalen Jahresschwankungen des Wasserstandes werden durch den Wind aus Nordwest hervorgerufen. Aber auch der Südostwind – Wetterlagen mit Südföhn – verschiebt das Wasser ähnlich wie Nordwestwindereignisse. Im Dezember 2017 verursachte das Sturmtief Yves einen Föhnsturm, der das Wasser des Neusiedler Sees von Süd nach Nord verlagerte. In Apetlon sank der Wasserspiegel um 50 cm, hingegen stieg er im Norden am Pegel Neusiedl um circa 70 cm auf eine absolute Höhe von 116,15 m über Adria (Bild 5 und 6).
Aus einer Richtung anhaltende Starkwinde gibt es vor allem im Frühling und im Winter.
Zum Abschluss noch ein Blick auf die Statistik der vergangen 20 Jahre. Derartige Extremereignisse treten zu 90 Prozent in den Frühling- und Wintermonaten auf. Nur im Jahr 1999 wurde die maximale Wasserspiegeldifferenz zwischen den Nord- und Südpegeln im Sommer beobachtet. Am 22. Juni 1999 war der Pegel in Apetlon um fast 90 cm höher als jener in Neusiedl (Bild 7).
Das Jahr 2020 beginnt mit unterdurchschnittlichem Wasserstand.
Dank der vieljährigen hydrographischen Aufzeichnungen des Seewasserstandes und der Niederschlagsbeobachtung im Seewinkel weiß man, dass der Wasserstand in den ersten drei Monaten der beobachteten Jahre um einen halben Meter unterschiedlich sein kann (Bild 3). Das Jahr 2020 begann mit 10 cm unterdurchschnittlichen Pegeln im Jänner, Ende Februar waren es bereits 20 cm die auf den vieljährigen Mittelwert fehlen. Jedoch wurden die niedersten Tagesmittelwerte seit Beginn der Wasserstandregelung im Jahr 1965 noch nicht erreicht (Bild 4).
Da der Neusiedler See zu 87 Prozent durch den Niederschlag und zu 13 Prozent durch kleine Zubringer, wie die Wulka, gespeist wird, ist laut Karl Maracek vor allem die Niederschlagssituation der vergangenen zwölf Monate die Ursache für den unterdurchschnittlichen Wasserstand. Es hat vor allem im Sommer und im Herbst 2019 zu wenig geregnet.
Mit der Wasserstandregelung im Jahr 1965 wurde die Dynamik der Wasserspiegelschwankung verändert. Der vieljährige Mittelwert des mittleren Wasserstandes beträgt seit 1965 circa 115,45 m über Adria. Abhängig vom Niederschlagsdargebot gibt es feuchtere Perioden als in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre und der Jahre um 2010 und eine niederschlagsärmere Periode von 2000 bis 2005. Seit 2015 ist ein Trend zu niederen Pegelwerten erkennbar (Bild 8).
Interessante hydrographische Daten und Onlinemessungen finden sie im Wasserportal, dem Webportal der Hydrographie in Burgenland.
Weitere das Naturphänomen erklärende Informationen in Diagrammen und Bildern.