Totschnig: Bäuerinnen und Bauern wollen weniger EU-Bürokratie
Die Bauernprotest-Welle in zahlreichen EU-Ländern wie Deutschland, Frankreich oder Italien zeigt die Verunsicherung in der Bauernschaft. Bundesminister Norbert Totschnig hat bereits im Herbst 2023 den Strategieprozess VISION 2028+ initiiert. Die wesentlichen Ergebnisse der 1. Phase der VISION 2028+ liegen nun vor.
Laut Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig fehlt es in der EU-Agrarpolitik an einem Zukunftsbild und Perspektiven für die Bäuerinnen und Bauern. Denn volatile Märkte, steigende gesetzliche Auflagen und die wachsenden Anforderungen der Gesellschaft stellen die Landwirtschaft zunehmend vor Herausforderungen.
Deshalb hat Totschnig bereits im Herbst 2023 den Strategieprozess VISION 2028+ initiiert. Dieser soll mehr Stabilität, Planungssicherheit und Orientierung schaffen. Die wesentlichen Ergebnisse der 1. Phase der VISION 2028+ – eine umfangreiche Analyse der aktuellen Situation in der heimischen Landwirtschaft – liegen nun vor.
Daraus werden im nächsten Schritt Zukunftsbilder und konkrete Entwicklungspfade für die Landwirtschaft und den ländlichen Raum erarbeitet.
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig betont die wachsende Bürokratie aufgrund des Green Deals, starke Preisschwankungen auf den Märkten und die steigenden gesellschaftlichen Anforderungen als nur einige Beispiele, die unsere Bäuerinnen und Bauern beschäftigen. „Mit der VISION 2028+ wollen wir Perspektiven und ein klares Zukunftsbild für die Landwirtschaft erarbeiten. Die Bauernproteste in der EU zeigen, dass es an einer EU-weiten Strategie fehlt, wohin die Reise in der Landwirtschaft geht. Wir brauchen Antworten auf die zentralen Fragen! In Österreich sind wir hier einen Schritt voraus.“
Am Ende dieses Strategieprozesses sollen klare Leitlinien abgeleitet werden, um die besten Rahmenbedingungen und Perspektiven für unsere bäuerlichen Familienbetriebe zu schaffen. Die Ergebnisse sollen auch in die EU-Verhandlungen über die künftige Gemeinsame Agrarpolitik und den Green Deal einfließen.
Totschnig: „Unsere Bäuerinnen und Bauern brauchen wieder Vertrauen, Planungssicherheit sowie faire Rahmenbedingungen, die im Verhältnis zu den Leistungen stehen, die sie für das ganze Land erbringen. Mein Ziel ist, dass unsere Jungbäuerinnen und –bauern auch weiterhin positiv in die Zukunft blicken und mit Freude ihre Höfe weiterführen. Wenn man aber von ihnen Unmögliches abverlangt, dann besteht die Gefahr, dass sie ihre Hoftore für immer schließen. Der Green Deal bringt mit seinem Regulierungsdruck unsere Betriebe an ihre Grenzen. Deshalb setze ich mich für eine Kurskorrektur der EU-Politik ein.“
Ergebnisse der 1. Phase VISION 2028+
Die 1. Phase – eine umfangreiche Analyse des IST-Zustandes bzw. der Ausgangsbedingungen – wurde nun abgeschlossen. Sie beinhaltet neben einer wissenschaftlichen Literaturrecherche:
- eine repräsentative Befragung von 1.500 Bäuerinnen und Bauern,
- eine repräsentative Befragung von 1.000 Personen aus der Bevölkerung,
- eine Befragung von rund 250 Personen aus der Lebensmittelwirtschaft (z.B. Handel),
- 12 Interviews mit allen Agrarsprechern der verschiedenen politischen Parteien sowie Vertreterinnen und Vertretern von NGOs, OECD und der EU-Kommission.
- sowie 8 Gruppendiskussionen (rund 90 Personen) mit Bäuerinnen, Hofnachfolgern, dem vorgelagerten Bereich (Landtechnik, Saatgut, Stallbau, etc.), dem Land- und forstwirtschaftlichem Schulwesen, der Forstwirtschaft, der Verwaltung, Interessensvertretung und der verschiedenen Agrarsektoren.
Zentrale Herausforderungen für Österreichs Landwirtschaft
- Als größte Herausforderungen für den eigenen Hof werden die steigenden gesetzlichen Auflagen und die ausufernde Bürokratie gesehen. Dabei ist die größte Bedrohung aus Sicht der Bäuerinnen und Bauern der Green Deal der EU-Kommission.
- Darüber hinaus belastet die Bäuerinnen und Bauern die unberechenbare Situation auf den Märkten sowie die steigenden Ansprüche der Gesellschaft bei gleichzeitig mangelnder Zahlungsbereitschaft der Konsumentinnen und Konsumenten für die hohen Produktionsstandards in Österreich.
- Auch die Auswirkungen des Klimawandels, die Arbeitsüberlastung und fehlende Planungssicherheit werden als eine der künftigen Herausforderungen gesehen.
Die Rahmenbedingungen ändern sich schneller, als sich die investitionsintensive Landwirtschaft ändern kann.
Zentrale Chancen für Österreichs Landwirtschaft
- Trotz zahlreicher Herausforderungen blicken ¾ der Jungbäuerinnen und Jungbauern sehr positiv bis neutral in die Zukunft.
- Chancen für den eigenen Betrieb sehen die Bäuerinnen und Bauern insbesondere im Trend zur Regionalität und Qualität und einem steigenden Interesse der Bevölkerung an der Landwirtschaft.
- Auch die Tatsache, dass am Betrieb mit mehreren Generationen gelebt und gearbeitet wird, wird sehr positiv gesehen.
- Als wichtigste Strategien für die Zukunft gelten die Weiterbildung, sowie ein verstärkter Fokus auf Kooperation, Vernetzung und die Nutzung von Qualitätsprogrammen. Für einen erfolgreichen Generationenwechsel braucht es zukunftsfähige Betriebskonzepte, Anerkennung, angemessene Entlohnung für die erbrachten Leistungen, genügend Freiheit für Unternehmertum und Innovationen.
- Auch die Bevölkerung sieht die vielfältigen heimischen Familienbetriebe mit ihren hohen Produktionsstandards und den hohen Bio-Anteil als Stärke der österreichischen Landwirtschaft. Gleichwohl wird thematisiert, dass in letzter Zeit beim Lebensmitteleinkauf vermehrt auf den Preis und Aktionen geachtet wurde.
- Der Lebensmittelhandel will in Zukunft auf preisgünstige Produkte setzen, gleichzeitig wird jedoch Qualität, Tierwohl und Regionalität gefordert.
Zusammenfassung und Ausblick VISION 2028+
- Die österreichische Landwirtschaft ist vielfältig. Auch die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Bedürfnisse, Herausforderungen und Chancen der heimischen Familienbetriebe durchaus unterschiedlich bzw. heterogen sind.
- Dennoch zeichnen sich auch Gemeinsamkeiten ab: Die Betriebe bewegen sich in einem Spannungsfeld: Motivation und Freude am Beruf einerseits, die Notwendigkeit eines wirtschaftlich tragfähigen Betriebs andererseits. Hinzu kommt die Fremdbestimmtheit und ein steigender Regulierungsdruck von außen, etwa durch den Green Deal.
- Basierend auf den Ergebnissen werden in der 2. Phase bis April Fokusgruppen in sieben Handlungsfeldern (Zukunftsthemen) von rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer intensiv konkrete Zukunftsbilder, Maßnahmen und Entwicklungspfade diskutieren und erarbeiten.
- Ende Mai werden die finalen Ergebnisse präsentiert.
Mehr zum Strategieprozess finden Sie auf der Landingpage der VISION 2028+.