Evaluierung Biologischer Wirktests zur Abwasser- und Gewässeruntersuchung
Die chemische Einzelstoffanalytik erreicht trotz leistungsfähiger Methoden ihre Grenzen bei der Überwachung von Spurenstoffen in der aquatischen Umwelt. Im vorliegenden Projekt wurden Erfahrungen zu Biologischen Wirktests für eine gesamthafte Erfassung der toxischen Wirkung der Spurenstoffbelastung gesammelt.
Im Vergleich zu organismenbasierten Toxizitätstests (in-vivo Tests) stellen kommerziell erhältliche Biologische Wirktests (in-vitro Tests) eine im Hinblick auf Kosten- und Zeitaufwand günstige Alternative zur Erfassung der toxikologischen Eigenschaften von Wasserproben dar. In Österreich lagen bislang nur wenige Erfahrungen zur Anwendung von Biologischen Wirktests vor. Vereinzelt wurden sie bei der Untersuchung von Fließgewässern bzw. zur Bewertung neuer Abwasserreinigungsverfahren eingesetzt. Mit der vorliegenden Pilotstudie wurde erstmalig versucht, Erfahrungen in der Anwendung Biologischer Wirktests für die Untersuchung von Abwasser und Gewässern zu sammeln, die österreichische Datenbasis zur Anwendung von Wirktests systematisch zu erweitern und ihre Eignung als ergänzende Methode der Bewertung der Wasserqualität zu evaluieren.
Das Messprogramm des Projekts umfasste neun Kläranlagen (Zu- und Abläufe) sowie acht Fließgewässer. Die Abwasser- und Gewässerproben wurden mit 15 in-vitro-Wirktests (ERα-, AR-, anti-ERα-, anti-AR-, PAK-, DR-, Nrf2-, p53-, Cytotox-CALUX, Ames Fluktuationstest, umuC-Test, Comet Assay (+MTT-Test), kombinierter Algentest) auf ihre biologische Wirkung hin untersucht. Begleitend wurden die Proben auf eine Vielzahl von Einzelstoffen analysiert (Abwasserparameter, Hormone, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Dioxine und dioxinähnliche Stoffe, Metalle, Alkylphenole und -ethoxylate, Bisphenol A sowie Arzneimittelwirkstoffe). Die Stoffauswahl erfolgte im Hinblick auf ein bekanntes Wirkpotential dieser Stoffe bei den eingesetzten Wirktests, um die Kohärenz von nachgewiesenen Einzelstoffen und gemessener biologischer Wirkung zu testen.
In den Kläranlagenzuläufen waren Wirkungen bei bis zu 13 der 15 Tests nachweisbar, eine mutagene und gentoxische Wirkung allerdings nur in angereicherten Zulaufproben.
In den Kläranlagenabläufen waren biologische Wirkungen in Umfang und Ausmaß deutlich reduziert. Die ermittelten Reduktionsraten lagen meist deutlich über 50%. Für die mutagene und gentoxische Wirkung konnten Reduktionsraten nur näherungsweise in einem Bereich zwischen 50% und 90% abgeschätzt werden.
In den Gewässerproben konnten Wirkungen bei bis zu 10 der 15 Tests nachgewiesen werden. Das Ausmaß der festgestellten Wirkungen war im Vergleich mit jener der Kläranlagenabläufe meistens geringer. Die Ergebnisse der Gewässerproben wurden mit Bewertungskriterien für eine nachteilige biologische Wirkung (Effect-based trigger-Werten, EBT) verglichen, soweit diese verfügbar waren. Für die anti-androgene, herbizide und PAK-ähnliche Wirkung sowie den oxidativen Stress konnten hier vereinzelt Überschreitungen festgestellt werden.
Ein Vergleich der Ergebnisse der Biologischen Wirktests und mit den chemischen Analysen war nur begrenzt möglich, da dazu die relative Wirkungspotenz (relative effect potency, REP) der nachgewiesenen Einzelstoffe, ausgedrückt als Bruchteil der Wirkung des jeweiligen Stoffes in Relation zur Referenzsubstanz des jeweiligen Wirktests, bekannt sein müssen. REP-Werte sind in der Literatur erst vereinzelt und nur für bereits gut etablierte Testsysteme vorhanden. Ein Vergleich war im Projekt nur für die östrogene, die PAK- und die Dioxin-ähnliche Wirkung durchführbar. Für die die östrogene und die Dioxin-ähnliche Wirkung konnte in zahlreichen Proben eine gute Übereinstimmung von Biologischen Wirktests und chemischen Analysen gezeigt werden.
Der Zielsetzung des Projektes entsprechend konnten neue Erkenntnisse zu relevanten Einflussfaktoren über den gesamten Prozess der Testdurchführung, wie z.B. Blindwertproblematik und Testdesign, gewonnen werden, die auch maßgeblich zu einem besseren Verständnis der Funktionsweise der eingesetzten Wirktests beitrugen. Ebenso konnten Erfahrungen zu Robustheit und Grenzen der Anwendbarkeit der verschiedenen Wirktests gewonnen und auch die ökonomischen Aspekte bewertet werden. Aufgrund dieser Ergebnisse werden Biologische Wirktests als grundsätzlich geeignet erachtet, um die auf Ergebnissen der chemischen Einzelstoffanalytik basierende Bewertung von Abwässern und Gewässern zu ergänzen. Von den im Projekt angewandten Wirktests erwiesen sich die CALUX-Verfahren und der kombinierte Algentest in Hinblick auf die Fragestellungen des Projektes als prinzipiell gut interpretierbar, da diese Testverfahren quantitative Aussagen ermöglichen und zum Teil bereits Vorschläge für Bewertungskriterien vorliegen.
Allerdings bestanden im vorliegenden Projekt Interpretationsschwierigkeiten in Hinblick auf Blindwerte und unterschiedliche Bestimmungsgrenzen einzelner Proben. Für einen routinemäßigen Einsatz Biologischer Wirktests erfordert es außerdem noch Forschungsbedarf in Hinblick auf die Standardisierung der Verfahren und bei der Ableitung von Bewertungskriterien (EBT). Weitere Forschungsfelder beinhalten die Definition von substanz- und testspezifischen relativen Wirkpotenzen für Spurenschadstoffe (REP), um die Ergebnisse der Biologischen Wirktests mit jener der chemischen Analytik zu vergleichen.
Vor dem Hintergrund des im Projekt identifizierten Optimierungspotentials und des bestehenden Forschungsbedarfs zu Biologischen Wirktests sind die Messergebnisse des Projekts, insbesondere ausgewiesene Überschreitungen von Bewertungskriterien, mit Vorsicht zu interpretieren.