Feuchtgebiete: Definition und Bedeutung
Feuchtgebiete liegen im Übergangsbereich zwischen permanent feuchten und ständig trockenen Lebensräumen.
Feuchtgebiete liegen im Übergangsbereich zwischen permanent feuchten und ständig trockenen Lebensräumen. Je nach Entstehungsgeschichte, geographischer Lage, Wasserhaushalt und -chemie, Boden- oder Sedimentbeschaffenheit und Pflanzenarten weisen Feuchtgebiete vielfältige Erscheinungsformen auf.
Es können bei den Feuchtgebieten fünf Hauptgruppen unterschieden werden:
- Marine Systeme: küstennahe Feuchtgebiete, einschließlich Felsküsten und Korallenriffs
- Ästuarsysteme (einschließlich Deltas): im Gezeitenbereich liegende Marschen und Mangrovensümpfe
- Seensysteme: Seen zugehörige Feuchtgebiete
- Flusssysteme: Flüsse und Bäche sowie zugehörige Feuchtgebiete
- Marschensysteme (d.h. "sumpfig"): Moore, Sümpfe und Marsche
Daneben gibt es künstlich geschaffene Feuchtgebiete: Fischteiche, Bewässerungsflächen, Speicherbecken, Kies- und Schottergruben, Kanäle etc.
Die Definition der Ramsar-Konvention lautet:
"Feuchtgebiete sind Feuchtwiesen, Moor- und Sumpfgebiete oder Gewässer, die natürlich oder künstlich, dauernd oder zeitweilig, stehend oder fließend, Süß- oder Brack- oder Salzwasser sind, einschließlich solcher Meeresgebiete, die eine Tiefe von sechs Metern bei Niedrigwasser nicht übersteigen".
Bedeutung von Feuchtgebieten
"Ohne Wasser gäbe es kein Leben. Wasser ist ein kostbares, für den Menschen unentbehrliches Gut." (Wasser-Charta des Europarates, 1968).
Feuchtgebiete haben eines gemeinsam: den Reichtum an Wasser. Die Art und das Angebot an Wasser ist unterschiedlich. Stellt man sich einen See und eine Feuchtwiese vor, ist klar, dass die Menge des verfügbaren Wassers nicht überall gleich ist.
Feuchtgebiete sind ein wichtiger Teil im globalen Wasserkreislauf. Sie zeichnen sich durch ihre hohe ökologische Bedeutung aus und beherbergen eine Vielzahl an Lebensgemeinschaften. Zudem erfüllen diese komplexen und dynamischen Lebensräume viele wichtige Funktionen, die dem Menschen in vielfacher Weise zugute kommen:
Feuchtgebiete sind Trinkwasserreservoirs, tragen zur Erhaltung des Grundwassers und zur Verbesserung der Wasserqualität bei, speichern Niederschläge, sind Voraussetzung für die Fischerei und die Produktion wichtiger Nahrungsmittel, wie beispielsweise Reis, bereichern das Landschaftsbild und dienen vielfach als Erholungsräume.
Besondere Bedeutung kommt Feuchtgebieten bei Überschwemmungen, Naturphänomenen und Katastrophen zu. Eine auf der neunten Konferenz der Vertragsparteien (COP9) 2005 in Kampala (Uganda) verabschiedete Resolution fordert die Vertragsstaaten u.a. auf, ihre Ramsar-Gebiete sowie andere Feuchtgebiete und benachbarte Biotope zu erhalten sowie zu renaturieren, um deren Schutzfunktion bei Naturkatastrophen (Tsunamis, Hurrikans etc. ) zu erhalten bzw. wiederherzustellen.
Die Liste über die Funktionen der Feuchtgebiet ließe sich noch weiter fortsetzen. Mit der Erhaltung von Feuchtgebieten kann auch das Schutzgut "Wasser", dem weltweit zunehmend mehr Bedeutung beigemessen wird, bewahrt werden. Grundlage für die ökologische Funktionsfähigkeit von Feuchtgebieten ist ein intakter Wasserhaushalt.
Die Erhaltung von Feuchtgebieten steht somit in engem Zusammenhang mit der wasserwirtschaftlichen Nutzung. Sollen die ökologischen Werte und die wichtigsten Funktionen von Feuchtgebieten in ausreichendem Maß gesichert werden, müssen entsprechende Wassermengen zu Verfügung stehen.
Feuchtgebietstypen
Um einen raschen Überblick über die weltweit vorkommenden Feuchtgebietstypen zu schaffen, wurde eine internationale Klassifizierung von Feuchtgebietstypen erstellt.
I Marine und Küsten-Feuchtgebiete
A Seichte Gewässer
B Marine Sublitoralzonen
C Korallenriffe
D Felsküsten
E Sand- und Kiesstrände (inkl. Dünen)
F Flussmündungen (Ästuare)
G Gezeitenschlickflächen (inkl. Salzebenen)
H Salzwiesen
I Mangroven/Gezeiten-Wald
J Küsten-Brackwasser- und Salzlagunen
K Süßwasserlagunen
Zk(a) Karstgebiete und andere unterirdische hydrologische Systeme
II Binnen-Feuchtgebiete
L Ständig wasserführende Deltas
M Ständig wasserführende Bäche, Flüsse und Ströme; Wasserfälle
N Saisonal oder periodisch wasserführende Bäche, Flüsse und Ströme
O Dauernd wasserführende Süßwasserseen (größer 8 ha)
P Saisonal oder periodisch wasserführende Süßwasserseen (größer 8 ha)
Q Dauernd wasserführende Salzwasserseen
R Saisonal oder periodisch wasserführende Salzwasserseen und Salzböden
Sp Dauernd wasserführende Salzwasserteiche und -tümpel
Ss Saisonal oder periodisch wasserführende Salzwasserteiche und -tümpel
Tp Dauernd wasserführende Süßwasserteiche und -tümpel
Ts Saisonal oder periodisch wasserführende Süßwasserteiche und -tümpel
U Moore - sofern nicht aufgeforstet
Va Alpine Feuchtgebiete
Vt Tundra Feuchtgebiete
W Gebüschdominierte Feuchtgebiete
Xf Baumdominierte Süßwasser-Feuchtgebiete
Xp Aufgeforstete Moore
Y Süßwasser Quellen, Oasen
Zg Geothermische Feuchtgebiete
Zk(b) Karstgebiete und andere unterirdische hydrologische Systeme
III Feuchtgebiete aus zweiter Hand
1 Fisch- und Krevettenteiche (Aquakultur)
2 Landwirtschaftliche Teiche und kleine Speicher
3 Bewässerungsflächen (inkl. Bewässerungskanäle und Reisfelder)
4 Saisonal überschwemmtes Agrarland
5 Salinen
6 Wasserspeicher, Stauseen
7 Ausgrabungsflächen (z.B. Sand- und Schottergruben)
8 Abwasserbehandlungsflächen
9 Kanäle und Entwässerungsgräben
Zk(c) Karst und andere unterirdische hydrologische Systeme
Ausgewählte Lebensräume
Feuchtgebiete sind Zentren der Artenvielfalt. Um einen kleinen Einblick in die unterschiedlichen Lebensräume zu ermöglichen, werden nachfolgend einige beschrieben.
Moore
Österreich besitzt eine Vielzahl von Mooren internationaler und nationaler Bedeutung. Einige dieser Moore sind auch als Ramsar-Gebiete ausgewiesen, wie z.B. Hörfeld Moor, Sablatnig-Moor, Pürgschachen Moor, Moore am Nassköhr, Moore am Überling und Schwarzenberg sowie Moore am Pass Thurn.
Die Einteilung der Moore in Niedermoor und Hochmoor weist auf die Art des zur Verfügung stehenden Wassers hin.
Niedermoore werden oft als Flachmoore bezeichnet, im Alemannischen auch als Riede. Sie werden vom Grundwasser gespeist. Niedermoore sind nährstoffreich. Deshalb können sich die Torfmoose gegen die Konkurrenz anderer feuchtigkeitsliebender Pflanzenarten nicht durchsetzen und den Übergang zum Hochmoor vollziehen. Hohe Artenvielfalt und Individuendichte zeichnen diesen Lebensraum aus.
Bei Hochmooren, die uhrglasförmig gewölbte Torfkörper aufweisen, erfolgt die Wasserversorgung ausschließlich über Regenwasser. Sie sind an niederschlagsreiche Gebiete gebunden. Charakteristisch für Hochmoore ist ihre Nährstoffarmut. Die hier vorkommenden Pflanzenarten sind "Hungerkünstler". So decken beispielsweise "fleischfressende" Pflanzen, wie Rundblättriger Sonnentau und Fettkraut, ihren Stickstoffbedarf aus dem Eiweiß kleiner Insekten, die sie mit Hilfe klebriger Drüsensekrete fangen und verdauen. Viele Arten sind hochspezialisiert. Sie können auf keinem anderen Standort wachsen.
Übergangsmoore nehmen eine Zwischenstellung ein, da sie teils von Regenwasser, teils von Mineralbodenwasser versorgt werden. In Österreich kommen in allen Bundesländern Moore vor. Ein große Anzahl an Mooren weisen die Bundesländer Kärnten, Salzburg,Steiermark und Vorarlberg auf. Besonders reich an Mooren ist die Tamsweger Region im Bundesland Salzburg. Das Gebiet zählt zu den moorreichsten Naturräumen Österreichs.
Auen und Bruchwälder
Auen zählen zu den großflächigen Feuchtgebieten Mitteleuropas. Es sind regelmäßig überschwemmte Waldgebiete im Einflussbereich des Grundwassers. Die hohe Vitalität und Üppigkeit von Auwäldern, bedingt durch die gute Wasserversorgung und die hohe Luftfeuchtigkeit, erinnert an den Charakter tropischer Urwälder.
Die durch die Dynamik des Flusses entstandenen Stillgewässer im Bereich der Auen , wie z.B. Fluss-Altarme und Totarme werden unter dem Begriff Auengewässer zusammengefasst. Dazu zählen auch die im Zuge von Flussregulierungen künstlich abgetrennten Flussbetten ("Ausstände") sowie alle durch Grund- und Niederschlagswasser bedingten stehenden Kleingewässer.
Auengewässer sind ein wichtiger ökologischer Bestandteil von Aulandschaften. Die enorme Artenvielfalt der Auen beruht auf dem Nebeneinander und der engen Verzahnung von Fluss, stehenden und langsam fließenden Gewässer, Auwiesen, Röhrichten, Sandbänken und Trockenstandorten.
Großflächige Auen kommen in Österreich nur noch in den Beckenlagen der Donau und an freien Fließstrecken, wie z. B. an March, Thaya und Leitha, vor. Die Auen an Donau östlich von Wien, an der March sowie in der Unteren Lobau wurden auch als Ramsar-Gebiete ausgewiesen. Im Alpenvorland sind Auen an Salzach, Mur und Traun zu finden, ansonsten kommen Auen nur mehr punktuell vor.
Bruchwälder kommen im Gegensatz zu Auen immer auf ständig vernässten Böden vor. Daher sind sie oft im Verlandungsbereich von Seen und Teichen zu finden. Die Schwarzerle kommt am besten mit den "nassen" Bedingungen dieser Standorte zurecht.
Fließgewässer
Flüsse und Bäche sind die Lebensadern unserer Landschaft. Sie vernetzen die Ökosysteme Land und Wasser. Als oberflächlich fließende Wasserbrücken verbinden sie über das natürliche Gefälle Quellen und Meere.
Wasser- und Kraftwerksbau, Regulierungen und harte Verbauungen haben dazu geführt, dass naturnahe Fließgewässer in Mitteleuropa Seltenheitswert besitzen. Beispielsweise wurden Schotterfluren im Flussbett durch Aufstauungen und tiefgreifende flussbauliche Maßnahmen massiv zurückgedrängt.
In Österreich gibt es etwa 100.000 km Fließgewässer. Die Donau, der zweitlängste und wasserreichste Fluss Europas, weist in Österreich eine Flusslänge von 350 Kilometern auf. Zwei Studien der Universität für Bodenkultur in Wien belegen, dass von rund 5.000 km untersuchter Flussstrecken (ausgenommen die Donau) nur noch 21 % naturnahen Charakter besitzen. Viele Flüsse sind in kleine Stücke zergliedert, die Mehrheit befindet sich in den hochgelegenen Oberläufen der Flüsse.
Der Abschnitt der Lafnitz an der burgenländisch-steirischen Landesgrenze wurde als Ramsar-Gebiet ausgewiesen, weil er zu den letzten naturnahen Tieflandflüssen Österreichs zählt.
Im Rahmen der vom Lebensministerium und WWF Österreich durchgeführten Kampagne "Lebende Flüsse" wurden 74 Flussstrecken von österreichweiter Bedeutung ausgewählt. Diese Flüsse sind Leitbilder für den Naturschutz sowie für den Schutzwasserbau der Zukunft und müssen daher vor jeder Verschlechterung bewahrt werden.
In den Jahren 2002 und 2003 wurde der Aktionsplan "Lebende Flüsse II" ausgearbeitet, bei dem neben den Wasserbau- und Naturschutzabteilungen des früheren BMLFUW und dem WWF Österreich auch die Wildbach- und Lawinenverbauung eingebunden war.
Feuchtwiesen
Feuchtwiesen sind Lebensräume von krautigen Pflanzengesellschaften feuchter bis stark durchnässter Böden. Sie kommen z. B. an den Rändern von Mooren oder in Augebieten vor. Der feuchte Boden kann sowohl durch einen hohen Grundwasserspiegel als auch durch Oberflächenwasser bedingt sein. Die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften der Wiesen variiert je nach Nährstoffgehalt, Kalkgehalt, Höhenlage sowie nach Art und Dauer der Durchnässung. Auch die Art der Nutzung ist für die Pflanzendecke entscheidend.
Viele Wiesen sind aber erst durch die menschliche Nutzung entstanden, die das Aufkommen von Bäumen und Sträuchern verhinderte.
Die Mahd erfolgte beispielsweise bei Streuwiesen nur einmal im Jahr, nämlich im späten Herbst. Der Name leitet sich davon ab, dass das strohige Mähgut hauptsächlich als Einstreu im Stall verwendet wurde. Streuwiesen zeichnen sich durch einen außerordentlichen Artenreichtum aus. Streuwiesen beherbergen viele verschiedene Orchideen, Primeln und Enziane. Prägende Pflanzenart der Streuwiese ist aber das Pfeifengras.
Extensiv genutzte Feuchtwiesen, sogenannte "saure" Wiesen, sind ein Paradies für manche Tierarten, wie z.B. für Schmetterlinge und Heuschrecken. Auf Feuchtwiesen, die in der Nähe von Gewässern liegen, sind Libellen und Lurche häufig zu finden. Feuchtwiesen sind der wichtigste Lebensraum für Wiesenbrüter, wie z. B. für den Kiebitz und die vom Aussterben bedrohten Großen Brachvögel und Wachtelkönige. In Österreich sind ausgedehnte Streuwiesenflächen im Rheintal (Vorarlberg) zu finden. Im Rheindelta wurde bereit 1983 eines der ersten Ramsar-Gebiete Österreichs ausgewiesen.
Fischteiche
Fischteiche sind Kleingewässer, die zur Fischzucht angelegt wurden. Man unterscheidet je nach der Art des zur Verfügung stehenden Wassers zwischen Quell-, Fluss- und "Himmels"teiche. Letztere werden nur vom Regenwasser gespeist. Alle Teiche haben eine Ablassvorrichtung und werden, sofern sie noch genutzt werden, jährlich oder alle zwei Jahre abgelassen. Das Ablassen erfolgt meist im Herbst. Eine Unterwasservegetation kann sich daher nur spärlich entwickeln. Durch das Ablassen und Liegenlassen des Teichbodens können sich auf den offenen Schlammböden seltene Pflanzen ansiedeln, die sonst kaum mehr geeignete Lebensräume finden. Fischteiche können somit Ausgleichsflächen für Arten darstellen, deren angestammte Lebensräume verschwunden oder im Verschwinden begriffen sind.
Fischteiche mit strukturierten Uferzonen sind neben Teichen, die im teichwirtschaftlichen Sinn als gepflegt gelten, hervorragende Lebensräume für Wasservögel. Teiche, die nicht zur Gänze bespannt, d.h. nicht ganz mit Wasser gefüllt sind, bieten Watvögeln ideale Bedingungen zur Nahrungssuche.
Viele Teiche Österreichs wurden bereits im Mittelalter angelegt. Gebiete, in denen besonders viele Teiche angelegt wurden, sind das Waldviertel, die Steiermark und Tirol. Die Waldviertler Teiche zählen zu den Important Bird Areas in Österreich.