"Free Flowing Rivers" in Österreich

Mänderstrecke an der Lafnitz
Foto: Bernhard Schubert

Die EU hat sich ein wichtiges Ziel gesetzt: Bis zum Jahr 2030 sollen 25.000 Flusskilometer in einen frei fließenden Zustand zurückgeführt werden.

Für Österreich wurden erste Analysen durchgeführt, um die Länge bestehender frei fließender Gewässerstrecken zu ermitteln und erste Potenziale für die Wiederherstellung zu ermitteln.

Die Forderung nach 25.000 km Free Flowing Rivers wurde erstmals 2020 in der EU-Biodiversitätsstrategie festgelegt. Am 18. August 2024 trat die EU-Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (Renaturierungsverordnung) in Kraft. Diese Verordnung enthält neben zahlreichen Maßnahmen zur Förderung der Biodiversität, zum Erhalt und zur Verbesserung von Ökosystemen nun auch das verpflichtende Ziel, bis zum Jahr 2030 in der EU 25.000 Flusskilometer zu renaturieren und wieder frei fließen zu lassen.

Erste Analysen zu frei fließenden Flüssen in Österreich

Um einen Überblick zu Wiederherstellungsmöglichkeiten in Österreich zu bekommen, wurden in einem ersten Auswertungsschritt alle österreichischen Gewässer mit einem Einzugsgebiet über 100 km² analysiert. Es wurde geprüft, ob sie die Kriterien für frei fließende Flüsse bereits jetzt erfüllen. An 90 Flüssen konnten frei fließende Abschnitte identifiziert werden, die Gesamtlänge beträgt rund 1000 km. Das entspricht nur etwa 8 % der analysierten Gewässerlänge. (siehe Abbildung „Frei fließende Gewässerstrecken in Österreich“).

Die Auswertungen sind eine wichtige Grundlage, um künftige Renaturierungsprojekte zur Wiederherstellung von frei fließenden Flüssen zu planen. Gewässerstrecken, die nur wenig genutzt sind und in denen vielleicht nur einzelne Bauwerke der Erfüllung der Kriterien im Wege stehen, haben ein gutes Potenzial, durch gezielte Maßnahmen den Zielzustand zu erreichen.

In einer Potenzialanalyse für die Wiederherstellung frei fließende Flüsse in Österreich hat der WWF – basierend auf den Daten und Auswertungen des BML – alle Gewässerstrecken hinsichtlich ihres Renaturierungspotenzials ausgewertet und kartographisch dargestellt. Die tatsächliche Umsetzbarkeit von Maßnahmen für die Wiederherstellung frei fließender Flüsse, also die Möglichkeit der Entfernung von Barrieren, hängt natürlich stark von den jeweiligen lokalen Rahmenbedingungen ab und es muss im Einzelfall unter Einbindung aller Betroffenen sorgfältig evaluiert werden, ob der Rückbau von Barrieren mit den bestehenden Nutzungen und Anforderungen an das Gewässer vereinbar ist.

Warum sind frei fließende Flüsse wichtig?

Ein intakter, frei fließender Fluss kann sich in alle Richtungen entwickeln und verbindet dadurch verschiedene Wasser- und Landlebensräume. Natürliche Prozesse wie der Geschiebetransport und das saisonale Abflussverhalten gestalten sehr dynamische Lebensraumbedingungen für Tiere und Pflanzen. Es entstehen vielfältige Lebensräume und die Artenvielfalt wird gefördert. Durch die Vernetzung sind ungehinderte Wanderungsbewegungen der Gewässerfauna möglich.
Naturnahe Flüsse sind sehr dynamisch und widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels.

Was macht einen Fluss "frei fließend"?

Frei fließende Flüsse zeichnen sich durch mehrere wichtige Eigenschaften aus:

  • Der Fluss wird nicht durch größeren Barrieren eingeschränkt und ist gut mit seinem Auengebiet verbunden. Zu solchen Barrieren gehören zum Beispiel
    • Querbauwerke wie Absturzbauwerke oder Wasserkraftwerke
    • Hindernisse entlang des Flussufers wie Uferverbauungen und Hochwasserschutzdämme
    • Sohlpflasterungen, die die Verbindung zum Grundwasser einschränken und eine vertikale Barriere darstellen
  • Der Feststoffhaushalt im Einzugsgebiet muss weitgehend ungestört sein
  • Die gewässertypischen Fischarten müssen den Abschnitt erreichen können. Alle Querbauwerke im Wanderbereich der Fische müssen für diese passierbar sein
  • Die Gewässerstrecke muss eine gewisse Mindestlänge aufweisen, um wichtige ökologische Funktionen erfüllen zu können.

EU-weit gültige Kriterien

Die Europäische Kommission veröffentlichte im Juli 2024 eine (vorläufige) Methodik, in der Kriterien für die Definition von Free Flowing Rivers beschrieben sind.

Um bestehenden Gewässer- und Umlandnutzungen Rechnung zu tragen und um realistische und umsetzbare Vorgaben zu machen, verlangt die Methodik nicht das komplette Fehlen von Barrieren. Es wurden Grenzwerte definiert, wie viele Belastungen in einem frei fließenden Abschnitt toleriert werden können. Diese Methode wird nun europaweit getestet, insbesondere die Grenzwerte sollen einem Praxistest unterzogen werden. Bis Mitte 2025 soll die Methode finalisiert werden.

Fokus auf „obsolete“ Bauwerke

Bei der Entfernung oder dem Umbau von Barrieren sollen vor allem "obsolete" Bauwerke betrachtet werden. Das sind Bauwerke, die nicht mehr länger zur Erzeugung erneuerbarer Energie, für die Binnenschifffahrt, für die Wasserversorgung, für den Hochwasserschutz oder für andere Zwecke benötigt werden.

Da derzeit noch keine Kriterien für die Einstufung als obsoletes Bauwerk vorliegen, sind Abschätzungen zur Anzahl obsoleter Barrieren und zu Möglichkeiten der Entfernung noch schwierig.

Ausblick

Bis September 2026 muss Österreich seinen ersten Nationalen Wiederherstellungsplan an die EU übermitteln. Darin müssen jene Barrieren aufgelistet werden, die bis 2030 entfernt werden sollen. Für die endgültige Auswahl der Barrieren sind genaue Prüfungen, sorgfältige Planungen und Zusammenarbeit mit verschiedenen Akteuren erforderlich. Die bereits durchgeführten Analysen bieten eine gute Grundlage für die kommenden Entscheidungen und Maßnahmen.

Die Wiederherstellung frei fließender Flüsse ist ein zentraler Schritt, um die biologische Vielfalt und die Anpassungsfähigkeit an den Klimawandel in Europas Gewässern zu fördern. Die ersten Analysen zeigen, dass Österreich auch Potenzial hat, einen wichtigen Beitrag zum EU-weiten Ziel zu leisten und gleichzeitig seine Gewässer ökologisch aufzuwerten.

Die Ziele der Renaturierungsverordnung hängen eng mit den Zielen der Wasserrahmenrichtlinie zusammen. Im Rahmen des Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplans wurden in Österreich bereits viele konkrete Maßnahmen zur Verbesserung und Vernetzung von Lebensräumen umgesetzt und viele weitere sind geplant. Diese Maßnahmen unterstützen auch die Wiederherstellung von frei fließenden Gewässerstrecken.

Grafik "Frei fließende Gewässerstrecken in Österreich"
"Frei fließende Gewässerstrecken in Österreich"

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